Wie die Lichtgestalt Guido A. Zäch vor Gericht landete

Tages-Anzeiger, 17. August 2007

Der Arzt und Paraplegie-Pionier Guido A. Zäch hatte in seinem Prozess keine Chance auf einen Freispruch. Dies sagt der Basler Justizkritiker Peter Zihlmann in einem neuen Buch.

von Peter W. Frey

Am 19. März dieses Jahres schrieb das, Bundesgericht das letzte Kapitel im Strafverfahren gegen den neben Beat «Beatocello» Richner bekanntesten Arzt der Schweiz. Es schmetterte die Beschwerden des Paraplegie-Pioniers Guido A. Zäch gegen die Verurteilung zu 16 Monaten Gefängnis bedingt wegen Veruntreuung durch das Appellationsgericht Basel-Stadt ohne grosses Federlesen ab.
Wenige Monate nach dem höchstrichterlichen Spruch erscheint heute Freitag die erste unabhängige Darstellung, wie die Lichtgestalt des mitfühlenden Arztes vor Gericht landete, welche Rolle sein langjähriger Freund und späterer scharfer Kritiker Marc. F. Suter spielte und wie die Basler Justiz zu ihrem Urteil kam. Was bis jetzt. zwischen Buchdeckeln zu Guido A. Zäch erschien, war bezahlte Auftragspublizistik zum Lob des grossen Chefs. Hagiografien, Heiligendarstellungen, nennt sie Peter Zihlmann leicht spöttisch.
Das lässt sich von Zihlmanns eigenem Buch «Dr. Guido A. Zäch – Wohltäter oder Täter?» nicht behaupten. Der 69-jährige Basler Anwalt, private Ombudsmann und langjährige Basler Mietgerichtspräsident hält kritische Distanz zu allen Akteuren und ist ein scharfzüngiger Analytiker. Seine bisherigen Bücher wie «Justiz im Irrtum» oder «Das Gesetz über dem Recht» haben ihm über Basel hinaus einen Ruf als Justizkritiker eingetragen.

Die heimliche Doppelnatur des Bösen

Zihlmanns Analyse von Zächs Wirken im Dienste der ganzheitlichen Rehabilitation von Querschnittgelähmten in der Schweiz macht deutlich: Der spätere Absturz zum Angeklagten und Verurteilten hatte etwas Zwangsläufiges an sich. Zihlmann spricht vom «Drama des menschenfreundlichen, hochangesehenen und erfolgreichen Arztes – mit der von ihm abgespalteten, heimlichen Doppelnatur des Bösen». Hier der unermüdliche Motivator und Organisator gegen alle Widerstände und der geniale, mediengewandte Spendensammler. Dort der ehrgeizige und eitle Macher, der das von ihm aufgebaute Reich eigenmächtig regierte und keinen Widerspruch duldete. «Sein Idealismus verblasste durch seinen Drang nach Personenkult und den Wunsch, eine unauslöschliche Lebensspur zu hinterlassen», sagt Zihlmann.
Lange Zeit konnte Zäch selbstherrlich schalten und walten unter anderem dank einer juristischen Konstruktion: Die Gelder, welche die Schweizerische Paraplegikerstiftung (SPS) vergab, wurden durch die rechtlich als Verein organisierte separate Gönnervereinigung beschafft. Deren Vorstand bestand nur aus Zäch und zwei ihm ergebenen Mitstreiterinnen. Dies begünstigte Zächs Investitionen in problematische Immobilienprojekte, mit denen er rund 40 Millionen Franken Gönnergelder in den Sand setzte.
Doch nicht deswegen wurde Zäch verurteilt. Am Schluss an ihm hängen blieb, dass er vorübergehend Spenden für private Zwecke verwendete, sich die Nebenkosten seiner Villa in Zofingen von der Gönnervereinigung zählen liess und ohne schriftliche Abmachung von der Paraplegikerstiftung ein stetig steigendes Gehalt bezog. Die von der Staatsanwaltschaft eingeklagte Deliktsumme von 61,8 Millionen Franken schrumpfte auf wundersame Weise auf 29 Millionen in erster Instanz vor Strafgericht und schliesslich auf 1.4 Millionen beim Appellationsgericht.

Ist der Täter fixiert, gibts kein Zurück

Wie es dazu kam und warum Zäch trotz massiv kleinerer Deliktsumme immer noch 16 Monate bedingt fasste, schildert Zihlmann spannend auf Grund intimer Kenntnis des Basler Justizsystems und seiner Akteure, aber auch des gesellschaftlichen Umfelds im Stadtkanton. Er seziert die Urteile des Strafgerichts und des Appellationsgerichts mit ihren «juristischen Verrenkungen und Klimmzügen» mit scharfem Messer. Eine Justizkritik in einer Sprache, die auch Laien verstehen. «Einmal angeklagt, hatte Zäch keine Chance mehr auf Freispruch», ist Zihlmann überzeugt. «Ist der Täter einmal fixiert, so gibt es selten ein Zurück», lautet die ernüchternde Beurteilung der Basler Strafjustiz.