«Es gab unverständliche Kehrtwenden»

Surseer Woche / Sempacher Woche, 17. August 2007

BUCHTIPP Eine neue Publikation bringt Licht in den Prozess gegen Guido A. Zäch

Peter Zihlmann war selbst lange Jahre Teil einer Justiz, die er jetzt für ihre Handhabung der Rechtsprechung gegen den berühmten Paraplegiearzt rügt. Justiz sei ein relativer Begriff, sagt Zihlmann im Gespräch.

Peter Zihlmann, der Mann, der neues Licht in die Prozessführung gegen Guido A. Zäch bringen will, verbringt seit über dreissig Jahren seine Ferien am Sempachersee, am Ausgang von Eich, Richtung Sursee. Die Einfahrt zum Haus markiert er für Besucher gerne mit einem Schweizer Fähnchen. Nicht, dass er besonders patriotisch veranlagt wäre. Es geht ihm um andere Werte. «Auf dieser Strasse fahren alle wie wild. Die mögen Schleicher, die etwas suchen, nicht besonders», erklärt er die Sache mit dem praktischen Fähnchen. Üppige Vegetation schirmt das im Chaletstil gebaute Blockhaus von der stark befahrenen Kantonsstrasse ab.
Von der Garage über eine kurze, im Grün versinkende Einfahrt auf die Strasse hinauszufahren, braucht Nerven. Von dieser Garage, deren Wände mit Motiven aus der Basler Fasnacht bemalt sind, gelangt man über eine steile Holztreppe in den Wohnbereich der schmucken Zweitresidenz. Ein sympathischer, mittelgrosser Mann empfängt einen und geleitet den Gast durch eine Stube auf den sonnenbeschienenen Balkon. Unterhalb breitet sich eine gepflegte Wiese aus, die in einen Schilfgürtel am Ufer ausläuft. Ein Ruderboot, das nach den ergiebigen Regenfällen der letzten Tage so viel Wasser aufgenommen hat, dass das Heck nur noch knapp über dem Wasser liegt, schwankt im leisen Wellengang, Bug an Land. Man wähnt sich an einem Teich in der Camargue. Bloss, dass das hier nicht die Camargue ist und dass man nicht auf Flamingos blickt, sondern auf Enten. Und im Hintergrund, am gegenüber liegenden Hügelzug angeschmiegt, auch ans Schweizerische Paraplegikerzentrum Nottwil, Guido A. Zächs Lebenswerk.

Deftige Breitseite

«Ich gelte als Justizkritiker», sagt der 1938 geborene Peter Zihlmann. Jahrelang waltete der Rechtsanwalt als Gerichtspräsident in Basel, und nun schiesst er in seinem neuen Buch «Dr. Guido A. Zäch – Wohltäter oder Täter??» eine deftige Breitseite gegen eben diese Basler Justiz ab. Das wird aus einem Textauszug aus dem Buch ersichtlich. Das Buch ist fertig, am 22.August soll in der Buchhandlung Bider und Tanner in Basel Vernissage sein. Soll, denn noch ist es nicht im Trockenen. Guido A. Zäch überlege sich eine Verfügung, die das Ausliefern des Buches in die Buchhandlungen verhindern würde. Zihlmann meint, das liege an der Passage, in der er das Interieur der Villa von Guido A. Zäch beschreibe. Die Beschreibung aber sei schon in der Schweizer Illustrierten abgedruckt gewesen und somit schon längst publik. Inwiefern die Beschreibung, von der Zihlmann spricht, sich weitergehenden Analysen entzieht, werden letztlich Leser und Leserinnen entscheiden müssen. Sie diene im Zusammenhang des neuen Buches lediglich dazu, ein möglichst breites Bild dessen abzugeben, wie sich die Causa Zäch bis zum Bundesgericht entwickeln musste.

Justiz ist relativ

Doch warum sechs Monate seines Lebens dafür opfern, ein Buch darüber zu schreiben, was auch in anderen Belangen faktisch teilweise schon bekannt ist? «Im Prozess gegen Zäch hat es seitens der Basler Justiz unverständliche Kehrtwenden gegeben. Diese Kehrtwenden belege und zeige ich in meinem Buch», sagt Peter Zihlmann. Justiz sei ein relativer Begriff, der Mensch verurteile und spreche frei aus Instinkt, aufgrund der politischen Grosswetterlage und dem Zeitgeist folgend, was letztlich nur ungefähre Ur- teile erlaube. Ob das tatsächlich mit Gerechtigkeit zu tun habe, sei in Frage gestellt. Zihlmann nimmt eines der von seiner Frau gereichten Basler Läckerli, und während er daran knabbert, sprudelt es aus ihm heraus. «Guido A. Zäch? Er wird nicht nur Freude an meinem Buch haben.»

Der Zweikampf

«Mir wurde im Laufe meiner Recherchen klar, dass es in letzter Konsequenz sein ehemaliger Protégé Marc Suter war, der Zäch zu Fall brachte. Suter war 1973 einer der ersten Patienten von Zäch am damaligen Paraplegikerzentrum in Basel. Aus dieser prägenden Begegnung wurde ein ‘Dreamteam’, das dann im Laufe der Zeit in ein ‘Duo infernale’ umschlug», sagt Zihlmann. Er weiss, dass weder Suter noch Zäch sich freuen werden ob der Einschätzung, dass sie vor den Medien einen Zweikampf ausfochten. Marc Suter habe ja anfänglich gezögert, Guido A. Zäch zu beklagen. Zudem hätten sich die beiden durch die Vermittlung von Pierre Arnold beinahe wieder gefunden – kurz, bevor die Basler Staatsanwaltschaft die Verurteilung Zächs erreicht habe. Zihlmann will die Verstrickungen eines Prozesses entwirren, der zur Verurteilung Guido A. Zächs geführt hat. Bislang wurde das Thema noch kaum so umfassend behandelt, wie es jetzt dargelegt wird. Zihlmann kommt dabei nicht darum herum, auch unangenehme Seiten der Geschichte aufzugreifen. Inwiefern das Buch von Peter Zihlmann allen Beteiligten gerecht wird, wird man erst sagen können, wenn es seine Wirkung entfaltet hat.

Selbstbewusstsein und Charisma

Zu einem solchen Buch gehört naturgemäss ein Porträt der Person Zäch, was ebenso naturgemäss nicht ganz einfach ist, da sich Guido A. Zäch aus verständlichen Gründen aus dem Rampenlicht bewegen möchte, in das er immer wieder gerät. «Aber Guido A. Zäch hat auch ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Er weiss um sein Charisma und nutzte es in der Vergangenheit selbst geschickt in den Medien. Ohne das und einen starken Willen lässt sich ein Lebenswerk wie das Zentrum in Nottwil ja nicht aufbauen», sagt Peter Zihlmann. Und blickt gedankenverloren über den See zum Paraplegikerzentrum hinüber. Er weiss, dass auch er manchmal im Rampenlicht der Medien steht.

Laurent Puthod