oder: Wie die Baselbieter Justiz Norbert Mayer während 5 Tagen seiner Freiheit beraubte
Zihlmanns Fälle, www.netzpress.ch Fall 03/2001
Zihlmann’s Fälle basieren auf wahren Begebenheiten.
Namen und persönliche Daten sind frei erfunden.
Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich lebenden Personen ist rein zufällig.
Der Tiroler Norbert Mayer, unterwegs zu einem Besuch seiner in Basel lebenden Schwester, geriet in der Nacht vom 21. auf den 22. Mai 2000 in eine Geschwindigkeitskontrolle und wurde von der Polizeistreife Sissach wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 02:30 Uhr angehalten und der Autobahnpolizei zugeführt. Eine Stunde später leistete der Automobilist eine Kaution und unterzeichnete ein Protokoll, die Verkehrssache war damit vorerst beendet. Norbert Mayer wurde jedoch von eifrigen Beamten weiter festgehalten wegen einer andern Sache, die gemäss Fahndungscomputer gegen ihn noch hängig wäre. Mehr war von den Polizisten nicht zu erfahren. Der überrumpelte Tiroler wurde in eine Haftzelle verbracht, wo er auch den folgenden Tag nachrichtenlos verbrachte. Am 23. Mai um 09:25 Uhr wurde er erstmals mit einem sehr alten, gegen ihn in seiner Abwesenheit erlassenen Urteil des Strafgerichts Baselland vom 29. August 1996 und einem darauf basierenden niegelnagel neuen Haftbefehl vom 23.Mai 2000 konfrontiert. Als Haftgrund stand einsam das Wort „Fluchtgefahr“ auf dem Papier. Der in juristischen Dingen recht versierte Norbert Mayer verlangte gleichentags eine Neubeurteilung seines Falles aus dem Jahr 1996 und sofortige Entlassung aus der Haft. Mehr konnte er in der Polizeifalle nicht tun. Das Haftentlassungsgesuch wurde am 26. Mai 2000 durch den Strafgerichtspräsidenten Jent gutgeheissen, es sei erst am Vortag bei ihm eingetroffen – ein unverständlich schleppender Vorgang, auf den der Verhaftete keinen Einfluss hatte. Wenig später, am 6. Juni 2000 hob auch das Strafgericht Liestal das falsche Abwesenheitsurteil auf, nachdem es Noebert Mayer angehört hatte und sprach ihn kostenlos frei und richtete ihm wegen seiner verlorenen Freiheit die übliche Haftentschädigung in Höhe von Fr. 750.– und eine Umtriebsentschädigung von Fr. 100.– aus. Soviel gilt im Land der Banken die Freiheit des Seins. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass es nicht zulässig war, den Tiroler im Abwesenheitsverfahren zu verurteilen. Norbert Mayer hatte nämlich schon 1996, als die Untersuchung wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten gegen ihn geführt und er in Liestal einvernommen wurde, die Adresse seiner in Basel lebenden Schwester bei der Strafbehörde deponiert mit dem protokollierten Vermerk: „Erreichen kann man mich über meine Schwester, die in Basel lebt.“ Das hat weder die Staatsanwaltschaft noch das Strafgericht versucht, bevor sie das Urteil gegen den Tiroler fällten. Norbert Mayer wehrte sich deswegen mit einer Aufsichtsbeschwerde. Die wird abgeschmettert, das Argument der gesetzeswidrigen Zustellung wird gar nicht beachtet. Norbert Mayer, ein Landsmann und Zeitgenosse von Norbert Gstrein (der Portalfigur der österreichischen Nachkriegsliteratur), Nordtiroler, hat einen harten Schädel. Er gibt nicht nach, verlangt das schwerste, was vom Rechtsstaat verlangt werden kann: Die Bestrafung seiner fehlbaren Strafverfolger. Mayer verlangt die Bestrafung des Staatsanwalts Ehrbacher wegen Amtsmissbrauchs und Freiheitsberaubung. Dieser hatte ihm die Anklage nicht an die angegebene Adresse zugestellt sondern an eine alte Adresse in Wien spediert. Die Verteidigung des Anklägers ist dünn: „Mayer erklärte, er habe Kontakt zu seiner Schwester, gab jedoch deren Adresse klar nicht als effektive Zustelladresse an.“
Der Fall geht zum sogenannten Verfahrensgericht. Dieses Gericht wäre dazu berufen Unsinniges richtig zu stellen. Stur auf Gesichtswahrung konzentriert, verkantet sich das Gericht in der Scheinargumentation des verfolgten Strafverfolgers: „Die Adresse seiner Schwester kann klarerweise nicht als Zustelladresse gewürdigt werden, da er nicht dort gewohnt hat und diese nicht als Zustelladresse bezeichnete.“ Wer hat je schon unter einer Zustelladresse (z.B. bei einem Anwalt oder Treuhänder) gewohnt, und was soll die Angabe einer Adresse, unter der man erreichbar ist für die Behörde anderes sein als eine Zustelladresse? Ist die Justiz denn schwerhörig geworden? Der Tiroler hat dann das höchste Gericht der Schweiz angerufen. Wie es entschieden wird, steht noch in den Sternen geschrieben, wenn auch seine Gedanken selten so hoch liegen, Des Tirolers Glaube beeindruckt mich, er sagte mir: „Wir werden gewinnen.“ Recht hat er, auf jeden Fall. Der Fall stinkt zum Himmel, wenn auch nur für fünf (in Haft vertrödelte) Tage. Erst jetzt entdecke ich in Mayers Dossier einen Beitrag des Norbert Gstrein, den er mir zum Lesen gegeben hat. Der Titel lautet: „Warum ich kein Schweizer werden will. Zustände im Schweizer Mittelland: Fallbericht und Wutanfall.“ Norbert Gstrein war unter seiner eigenen Haustüre in Solothurn von einem Polizisten im Verlauf eines Wortwechsels zusammengeschlagen worden. (Wer nicht schweigen kann, schadet der Heimat.)
Aus diesen beiden Erlebnissen von Tirolern in der Schweiz soll nichts verallgemeinert werden, weder dass es Tiroler, Österreicher oder allgemein Ausländer oder überhaupt Menschen in der Schweiz schwer haben mit der Polizei. In der Schweiz ist alles… Aber lassen wir das!