Buchbesprechungen zum Thema „Gesellschaft“

Das Gesetz über dem Recht

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Das Gesetz über dem Recht – Ratgeber für Suchende nach Recht und Gerechtigkeit, Peter Zihlmann:

Der Schweizer Autor, ein ehemaliger Richter, Rechtsanwalt und Ombudsmann beschäftigt sich in diesem schmalen, aber inhaltsreichen Büchlein mit all den Aspekten, die bei einem der stärksten Triebe des Menschen, dem Streben danach, Recht zu haben, oft nicht bedacht werden. Mit einem sehr tiefen Blick für die Nöte der Menschen sieht er das Streben nach Gerechtigkeit auf der einen Seite, das aber oft genau die Menschlichkeit vertreibt, die dafür nötig wäre, indem man sich auf Gerichte und das offizielle Recht verlässt. Denn Gerechtigkeit lässt sich eben oft nicht durch Gesetze ausdrücken, und die Richter sind mit ihren Urteilen auf die mangelhaften Informationen echter, aber sich schlecht erinnernder Zeugen ebenso wie falscher Aussagen angewiesen. Dass mancher nach einem Urteilsspruch aus allen Wolken fällt, kann dabei nicht verwundern.
So gibt es Menschen, die Schlimmes erlebt haben und daran verzweifelt sind, aber auch Menschen, die noch Schlimmeres erlebt haben und trotzdem ihre innere Harmonie bewahren oder finden konnten. Der Autor ist der Meinung, dass letztere ihre Überlegenheit und Distanz dadurch erreicht haben, indem sie der Wirklichkeit ohne Vorurteil ins Auge blicken – und hier kann ich ihm aus ganzem Herzen zustimmen, denn die von mir gemachten Erfahrungen zeigen, dass dies nicht nur der Weg zu innerem Frieden ist, sondern dass diese Haltung sogar dafür schützt, solches nochmals erleben zu müssen: was wir geistig konfrontieren können, müssen wir nicht in der Materie erleben. Und so schließt der Autor diese Erkenntnis mit den Worten (S. 28): Alles, was ist, hat seinen Grund. Die Realität ist das bessere Recht. und S. 29: Wir können zudem […] erkennen, dass dem Konflikt mit anderen Menschen ein Konflikt mit uns selbst zu Grunde liegt […]
Jenseits von gesellschaftlichem Recht und Gesetz gibt es weit wichtigeres, was der Autor als „rechtsfreie Räume“ bezeichnet. Er meint damit keine mafiösen Strukturen, sondern eine über allen religiösen Dogmen stehende Spiritualität, die in der Aussage gipfelt (S. 41): Unsere wichtigste Aufgabe im Leben ist es nicht, unser Recht durchzusetzen, sondern dem Gesetz unseres eigenen Herzens und Lebens zu folgen und uns zu entfalten und zu dem zu werden, wer wir im Grunde sind.
Der Grad an Selbsterkenntnis, der dazu nötig ist, ist nur schwer zu erlangen. Im Bereich „Recht“ und „Recht-haben-wollen“ liefert der Autor dafür eine in der Kürze meiner Buchvorstellungen kaum zu beschreibende und vielleicht sogar das Thema erschöpfende Fülle an tiefen Gedanken, die immer wieder aus anderen Blickwinkeln zeigen, dass das Glück nicht aus dem Gewinnen eines Rechtsstreits herrührt, sondern aus dem eigenen Inneren strömt. Rechtsstreitigkeiten dagegen führen dazu, dass aus Menschen „Fälle“ werden und alle Beziehungen beendet sind.
Die aktuellen besorgniserregenden Entwicklungen im Bereich unseres Rechtssystems bringt der Autor mit den folgenden Sätzen auf den Punkt (S. 98/99): Das Recht im 21. Jahrhundert will nicht mehr Gerechtigkeit, sondern Sicherheit garantieren. […] Es ist nicht möglich, jedes Risiko auszuschließen und die Menschliche Tragödie durch Recht und Polizei zu beseitigen.

Stephan Petrowitsch