Aufstieg und Fall eines Börsengurus

Neue Zürcher Zeitung, 17. Dezember 2005

Der Fall Behring im Detail nachgezeichnet

ti. Immer wieder träumen Anleger vom schnellen Geld. Obwohl die Erfahrung zeigt, dass eine starke Korrelation zwischen Rendite und Risiko besteht und der Traum vom Reichtum an das Vermögen gehen kann, gelingt es gewieften Financiers immer wieder, Kunden für ihre Anlagestrategien zu begeistern. Vier Jahrzehnte nach Bernard Cornfeld, der mit der Zeile «Wollen Sie wirklich reich werden? Dann telefonieren Sie uns» in Zeitungen um anlagesuchende Gelder warb, rühmte sich Dieter Behring, ein ehemaliger Chemielaborant, den «genetischen Code» der Finanzmärkte entschlüsselt zu haben. Dieser vermeintliche Quantensprung endete im Chaos: Im Herbst 2004 brach das «System Behring» zusammen. Seither fehlt von Anlagegeldern in Höhe von über 800 Mio. Fr. jede Spur.

Ein weit verzweigtes Netzwerk

Wie war das möglich? Dieser Frage ist Peter Zihlmann, ein vormaliger Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Gerichtspräsident, nachgegangen. In seiner Analyse finden sich zwar keine abschliessenden Antworten, denn die Durchleuchtung und juristische Bewältigung des «Systems Behring» wird Jahre beanspruchen. Dafür zeichnet Zihlmann mit viel Sorgfalt den Aufstieg und Fall von Dieter Behring nach. Eingehend gewürdigt werden neben der Leitfigur selbst auch die anderen Hauptakteure, ohne deren Mitwirkung das System nie seine weit verzweigte Tätigkeit hätte entfalten können. Da ist der Anwalt Peter Weibel, Behrings Partner der ersten Stunde, dessen weit verzweigtes Beziehungsnetz als Rekrutierungsreservoir für das «System Behring» diente. Nahezu alle handelnden Personen wurden von ihm angeworben. Seine Begeisterung für die Fliegerei veranlasste ihn dazu, Millionen in die erfolglose Entwicklung eines Ufo-ähnlichen Flugkörpers («Sky-Disk») zu stecken. Da ist auch der ehemalige Banker Raymond Pousaz, ein Bekannter Weibels aus gemeinsamen Zeiten im Harvard Club of Switzerland, der zu Behrings Statthalter auf den Bahamas avancieren sollte. Zu den Handelnden zählen ferner der Hausrevisor Arthur Buck und die Vermittler und Starverkäufer Willy Wüthrich, Jean Kämpf, Beat Bangerter und Jörg Rickli. Am Rande tauchen auch die Namen des inzwischen verstorbenen ETH-Professors Karl Frey, der Politiker Anita Fetz und Roberto Zanetti und der vermeintlichen Nothelfer Kostas Liapis und Karl Prinz von Thurn und Taxis auf.

Haft als stärkster Beweisgrund

Zihlmann, der 1993 im Anlagebetrugsfall André Plumey als Strafverteidiger den zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilten Hauptangeklagten vertrat, geht davon aus, dass es dereinst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung Behrings kommen wird. Und dies trotz dem vom Bundesanwalt unsicher formulierten Verdacht, Behring habe zusammen mit Dritten potenzielle Investoren arglistig über die Erfolgsaussichten von Anlagen getäuscht und sich dadurch bereichert. Denn aus der Erfahrung Zihlmanns ist Haft stärker als jeder andere Beweis – anders als Weibel, der aus unerfindlichen Gründen nicht festgenommen wurde, verbrachte Behring ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Der Strafprozess, so schliesst Zihlmann, sei doch immer schon in erster Linie eine Selbstinszenierung des Staates auf Kosten der Opfer, Täter und Steuerzahler gewesen.

Peter Zihlmann: Der Börsenguru. Aufstieg und Fall des Dieter Behring. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2005. 232 S., Fr. 39.-.