Sehr geehrter Herr Präsident
In einigen Kantonen (allen weit voran Basel-Stadt) wird immer noch und in zunehmendem Ausmass Geldbusse, die nicht bezahlt wird, in Freiheitsstrafe umgewandelt. Auch Sie verhelfen durch ihre Entscheide Armen, Alten, Arbeitslosen, Menschen in Not zu Gefängnisaufenthalten von einem Tag bis zu drei Monaten. Diese Zeit genügt, um das Leben der Betroffenen nachhaltig zu stören. Sie wissen, dass Kurzstrafen sich sozial schädlich auswirken. Selbst auf mittelschwere Kriminalität reagiert die Strafjustiz sonst einsichtig mit Warnstrafen, mit bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen. Wird aber eine Busse nicht bezahlt, verwandeln Sie als Richter die Geldbusse in unbedingte Freiheitsstrafe. Dies, obwohl Bussen am laufenden Band wegen harmloser Übertretungen ausgesprochen werden. Sie investieren Staatsgelder von tausenden und abertausenden Franken in bürokratischem Leerlauf von Justiz und Strafvollzug. Zu welchem Zweck? Zu welchem Ziel? Um die Bürger zu disziplinieren? Um alle über einen Leist zu schlagen? Was ist Ihnen die persönliche Freiheit wert, wenn Sie aus Fr. 30.– Busse einen Tag Haft kreieren? Sie treffen damit die Geringen und Hilflosen unserer Gesellschaft und stossen sie in noch tiefere Not. Widerstand ist von dieser Seite nicht zu erwarten. Nur darum können Sie sich diesen Luxus weiterhin leisten. Durch ihr Richteramt sind Sie berufen, als moralisches Gewissen der Gesellschaft zu amten und für die Einhaltung der notwendigen sozialen Spielregeln zu sorgen. Sowohl das Gesetz als auch höherrangiges Recht, die persönliche Freiheit und die Abschaffung des Schuldverhafts und nicht zuletzt Ihr Gewissen bieten Ihnen genügend Freiraum für eine menschenfreundliche Auslegung der Paragraphen. Ich frage wieder: Was ist Ihnen die Freiheit des kleinen Mannes und der kleinen Frau von der Strasse wert? Welches ist Ihr Menschenbild, nach dem Sie handeln? Wann hören Sie auf, Bussen in Haft umzuwandeln.? Wann wandeln Sie Paragraphen in Recht und Recht in Gerechtigkeit um? Was hält Sie zurück, diesen kleinen Schritt auf dem langen Weg zur menschlichen Gesellschaft sofort zu tun? Ich rufe Sie dazu auf, künftig Bussen nicht mehr in Freiheitsstrafe umzuwandeln. Es liegt an Ihnen.
DER PRIVATE OMBUDSMANN
Dr. Peter Zihlmann
Ostern 1997