Auch ohne Beweise: Haftrichter urteilt knallhart

doppelstab Nr. 25, 24. Juni 1993

Peter M. (22) wird vorgeworfen, er habe fünf Spielzeugautos gestohlen. Zwar liegt kein einziger Beweis vor, kein Geständnis und keine Vorstrafe. Dennoch wurde der junge Mann vom Haftrichter zu vier Wochen Haft verdonnert.

Am 9. Juni wurde im Spielwarenladen Hobby-Franz eingebrochen. Das Raubgut: Fünf ferngesteuerte Modellautos. Die Polizei nahm Peter M. als Verdächtigen fest, obwohl er die Tat bestreitet und sagte, er habe den flüchtenden Täter gesehen. Tags darauf verfügte der Haftrichter für Peter M. vier Wochen U-Haft.

«Das ist ungerecht. Ich habe das Schaufenster nicht aufgebrochen», schrieb der inhaftierte Sanitär-Installateur aus der Zelle. Sechs Jahre arbeitete er in der gleichen Basler Firma. Die Lehrabschlussprüfung beendete er als Klassenerster. Der 22jährige verdiente bereits 3’890 Franken.

Diese vier Wochen U-Haft stehen in denkwürdigem Kontrast zur Strafe, die das Strafgericht dann aussprechen würde, falls M. die Tat erwiesenermassen tatsächlich begangen hat: Weil nämlich der 22jährige ein blütenweisses Strafregister vorweisen kann, würde ihm nur eine bedingte Warnstrafe drohen. Er müsste also gar nicht ins Gefängnis.

Die Untersuchungshaft droht jetzt für M. zum fatalen Drama zu werden. Oft ist er in der Einzelzelle. Aber täglich begegnet Peter M. im Lohnhof Fixern und Heroindealern. Während einem ganzen Wochenende war er mit zwei Fixern in einen Raum gesperrt. Er ist hochgradig gefährdet, seit kurzer Zeit selbst Heroinkonsument. Peter M. ist auch suizidgefährdet. Sein ehemaliger Arbeitgeber bestätigt. «Er ist sehr sensibel und brach oft in Tränen aus. Er tut mir leid. Diese U-Haft bricht sein Selbstbewusstsein vollends. Er ist innerlich total verletzt. Er gab sich immer äusserste Mühe, ein anständiger Mensch zu sein.»

Empört reagierte auch der bekannte Basler Strafverteidiger und Wirtschaftsanwalt Peter Zihlmann: «Dieser Entscheid des Haftrichters versetzte mir einen Stich, so dass ich erwog, auf dem Marktplatz öffentlich mein Anwaltspatent zu zerreissen. Ich kann keinen Grund zur Haft erkennen. Dieser Entscheid stösst einen Menschen, der schon am Rand des gesellschaftlichen Abgrundes steht, noch ganz ins Elend.»

Trotz Haftrekurs des Anwalts hält die Basler Justiz vorläufig an dieser U-Haft fest. Der zuständige Haftrichter: «Oft tun mir solche Fälle leid. Aber Gesetz ist Gesetz. Wir müssen ohne Ansehen der Person entscheiden. Sonst ist das Willkür.»

Willy Surbeck