Anwalt prangert die Basler Bussen-Haft an

Blick, 03. Februar 2003

BASEL – Dicke Post für das Strafgericht am Rheinknie. Der renommierte Basler Anwalt Peter Zihlmann (64); prangert in einem offenen Brief die Rechtsprechung bei Bussen als inkompetent, einseitig und menschenverachtend an.

blick030203Grund für den Brief ist c der «Fall Claudia Federspiel». Die Schauspielerin («Cafe Bâle») musste vier Tage in den Knast, weil sie mehr Schutz für die Frauen verlangte und 280 Franken Parkbussen nicht bezahlen wollte (im BLICK).

Anwalt Peter Zihlmann. «Jemanden in den Knast zu schicken, nur weil er die Busse nicht bezahlt, ist absolut unverhältnismässig und eine massive Verletzung der Grundrechte.» Wer eine Busse von weniger als 200 Franken nicht bezahlen will, wandert in Basel ohne Betreibung in den Knast. Zihlmann: «Absoluter Blödsinn – ein Tag Haft kostet den Staat rund 300 Franken.»

Seit Jahren ist die Rheinstadt Spitzenreiterin im Einsperren von Bussen-Sündern. 2001 kamen 322 Personen wegen einer Busse ins Gefängnis, in Baselland waren es 7. Gesamtschweizerisch wird jeder Sechste, der in den Knast muss, aus diesem Grund eingebuchtet – in Zürich waren es 274, in Bern 75, in Genf 46. Diese Rechtspraxis kostet die Steuerzahler hunderttausende von Franken.

«Wenn wir nicht eine klare Haltung mit Massnahmen vertreten, verliert der Staat seine Autorität. Dann bezahlt niemand mehr Bussen», kontert Thomas Schweizer vom Basler Strafgericht.

Laut Art. 49 Strafgesetzbuch dürften Bussen aber nur als allerletztes Mittel in Haft umgewandelt werden, meint Rechtsprofessor Peter Albrecht von der Uni Basel. «Zuerst muss eine Person betrieben werden. Zudem könnte man doch auch bedingte Strafen aussprechen.»

Peter Zihlmann warnt vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Bussen-Haft. Er fragt, ob man gegen solche Richterbeschlüsse künftig nicht wegen Amtsmissbrauch disziplinarrechtlich vorgehen sollte. Zihlmann: «Das Gesetz wird bewusst zulasten der Freiheit interpretiert. Das kann man nicht akzeptieren.»

Mischa Hauswirth