Kirche heute Buchtipp

Kirche heute 41-42 (5.10.2003)

Buchtipp: Macht Strafe Sinn?

Peter Zihlmann, Macht Strafe Sinn?
Sieben Fragen und ein Dutzend
Geschichten rund um Recht und Gerechtigkeit.
Schulthess Verlag 2002, 262 Seiten, Fr. 42.–

jbh. Der Mann muss verrückt sein. In einer Zeit, in der alles nach Terroristen fandet und nach drastischeren Strafen ruft, setzt er auf Verständigung und Ausgleich, qualifiziert das Strafrecht als in einer archaisch-religiösen Sühne- und Vergeltungsvorstellung verankert. Und wenn es so geht, wie er beschreibt, könnte es durchaus sein, dass er als «Verrückter» ausgegrenzt würde.
Der aber so schreibt, war einst Rechtskonsulent in der Privatwirtschaft, gut verdienender Anwalt und Notar, bevor er sich als privater Ombudsmann sich für Menschlichkeit auf allen Ebenen des Justizapparates einsetzt, und diesen nicht zu knapp kritisiert.

Sieben Fragen

In seinem Werk: «Macht Strafe Sinn?», erschienen im Schulthess – Verlag, dokumentiert er mit Fall-Geschichten, wie es Menschen in den Mühlen der Justiz ergangen ist. Tröstlich, dass durch Interventionen viel Unrecht vermieden oder wieder gutgemacht werden konnte.
Im ersten Teil seines Buches stellt Zihlmann sieben Fragen an die Justiz. Im Kapitel über die Richter beschreibt er die Abhängigkeit der Richtenden von Zeitgeist und Politik, die ungleiche Stärke der Parteien. Die zweite Frage wendet sich den Menschen zu, die vor dem Richter stehen, ihren Ängsten, den Vermutungen, Verfahren, Vorurteilen, Diskussionpraktiken, die ihn/sie erwarten. Das dritte Kapitel fragt nach dem Unrecht, das nie vor den Strafrichter, bzw. zur Verurteilung kommt. Ob das Gericht der Ort der Gerechtigkeit, bzw. der Wahrheit sei, ist Gegenstand der weiteren Überlegungen. Das sechste Kapitel wendet sich den Gründen und Begründungen von Urteilen zu, bevor der Autor zur zentralen Frage des Buches kommt: Wie viel Strafe braucht der Mensch?
In diesem Kapitel referiert der Autor die Strafrechtstheorien, verweist auf die religiösen Wurzeln von Strafe, und fragt immer wieder und eindringlich nach der Legitimität von Strafe.
Abgesehen davon, dass er die Schweiz für ein Land der Vielstraferei hält, welches das Strafrecht als
Allheilmittel sieht, ist er überzeugt, dass Strafe überwunden werden kann. Gesellschaftliche Voraussetzung dazu sind Respekt, Mitgefühl und Solidarität. Nötig wäre der Ausgleich zwischen Opfern, seinen Angehörigen und Tätern. Er schlägt Arbeit statt Freiheitsstrafe als einen möglichen Weg vor. Ebenfalls die elektronische Fessel könne für kürzere Dauer sinnvoll sein. Unabdingbar sind gemäss Zihlmann soziale Interventions- und Förderungsprogramme. Der Opferschutz müsse ausgebaut werden.
Das Buch von Peter Zihlmann ist kein wissenschaftliches Werk. Es ist engagiert und zuweilen polemisch geschrieben, gerade dadurch aber äusserst anregend. Die beigefügten Zeugnisse von Menschen, die im Rechtsstaat Unrecht erlitten, und für die sich der Autor engagiert hat, belegen, dass er aus grosser Erfahrung heraus zu seinem Standpunkt kommt.