Kampf um verschwundene Millionen

Basler Zeitung, 17. August 2005

Ein neues Buch über Dieter Behring zeigt, wie sich die Verbündeten zerstritten

Im Fall Behring weist jeder Beschuldigte dem anderen die Schuld zu. Einig waren sich die Kumpane, solange Geld in Strömen floss. Der Bruch folgte im Juli vor einem Jahr.

Gegenüber den Anlegern herrschte Eintracht und ungebrochene Zuversicht noch bis Ende September 2004. Die Millionen, angelegt nach den Regeln von Dieter Behrings wundersamem Börsenprogramm, seien allesamt vorhanden. Die Einlagen dank Kursgewinnen mehr als gedeckt. Doch hinter der Fassade war der innere Zirkel der Beteiligten bereits seit Monaten in Machtkämpfe verwickelt.
Peter Zihlmann, Basler Anwalt und Autor, legt diese Woche das Buch «Der Börsenguru» vor. Darin beschreibt er die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Dieter Behring – und auch, mit welchen Tricks sich die einstigen Verbündeten in der Endphase des Behring-Hypes ihr Überleben sichern wollten.
Der Codename des Masterplanes hiess «Cash back» und startete am 15. Juli 2004. Alle kamen sie an diesem Donnerstag zur Krisensitzung am Flughafen Zürich-Kloten zusammen: Börsenzauberer Dieter Behring, sein langjähriger Anwalt Peter Weibel und Raymond Pousaz, der Offshore-Mann von den Bahamas. Begleitet waren sie von Anwälten, die Weibel ins Spiel gebracht hatte; sein Basler Büropartner Alberto Nanni und der Klassenkamerad aus der Internatszeit, Rudolf Meroni.

VERANTWORTUNGSLOS. Es war allen gedient, nicht genau wissen zu müssen, wie und wo die angehäuften Anlagegelder der vergangenen Jahre deponiert waren – solange üppige Provisionszahlungen flossen. Es herrschte im System Behring eine gezielt «organisierte Verantwortungslosigkeit», wie Zihlmann meint. Doch nach kritischen Presseberichten wurde es für seine Kumpane wichtig, eine bessere Kontrolle über die grossteils von ihnen vermittelten Gelder zu erlangen. Sie gingen offensichtlich davon aus, dass zumindest ein Teil der Gelder vorhanden sei. Der Weibel-Vertraute und Revisor Arthur Buck hatte sich Anfang Juli jedenfalls von Behring weismachen lassen, es lägen 571 Millionen Franken auf eigenen Konti. Genügend also, um im September die anstehenden Zins- und Darlehensrückzahlungen von mindestens 250 Millionen Franken vornehmen zu können.
Der Zürcher Anwalt Meroni war dazu ausersehen, Treuhänder der verwickelten Geschäfte zu sein. Seine erste Aufgabe war es, im engen Kontakt mit Behring die Gelder zu organisieren, um einen schnellen Kollaps zu verhindern. Gleichzeitig galt es, über eine börsenkotierte Gesellschaft frisches Geld in das System zu pumpen sowie für die Öffentlichkeit neue Frontmänner zu installieren. Weibel schleppte das Personal an; zunächst den ominösen Griechen Kostas Liapis, anschliessend seinen alten Geschäftsfreund Martin Schläpfer.

Sagenumwobene «Garanten». Behring war offensichtlich nicht bereit, sich ohne weiteres entmachten zu lassen. Er sprach von neuen Geschäftspartnern, so genannten «Garanten», mit denen er ausserhalb des bekannten Moore-Park-Systems handle und die für alle Anlagegelder bürgten. Am 25. Juli, rückdatiert auf den 15. Juli, wurden dennoch Verträge abgeschlossen, wonach Behring seine Holdinggesellschaften an die London Finance Group verkauft, einer Briefkastenfirma, die unter der Kontrolle der Moore Park Consulting stand. Gemäss einem anderen Vertrag, datiert auf den 13. Juli, soll Behring nur 70 Prozent der Aktien verkauft haben.
Anwälte streiten, ob und welche Verträge gültig seien. Denn es kam nicht wie geplant: Weder flossen im September die Gelder, um misstrauisch gewordene Anleger zu besänftigen, noch glückte die Installation neuer Vorzeigefiguren.
Der Rest ist Geschichte: Die Verbündeten überzogen sich gegenseitig mit Klagen. Am 19. Oktober kam es zur Polizeiaktion «Berry» mit Verhaftungen und zahlreichen Hausdurchsuchungen. Seither ermittelt die Bundesanwaltschaft. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Christian Mensch