Gefängnisseelsorge oder Spitzeldienst?

Leserbrief an die Basler Zeitung, 13.02.2004

Die Gerichtsberichterstattung vom 12.02.2004 lässt aufhorchen. Der junge Mann (22) hat die Untersuchungshaft schlecht ertragen. Das ist keine Ausnahme. Viele haben sich im Stress der Haft umgebracht, auch in Basel. Dass sie randalieren, fluchen, drohen, ihr Kopfkissen in Brand stecken und verzweifelt sind, ist die Folge ihrer schwierigen äusseren und seelischen Situation und manchmal auch ihrer bohrenden Schuldgefühle. Deshalb gibt es Seelsorger in Gefängnissen. So stand auch die Seelsorgerin dem jungen Mann mit ihrem offenen Ohr zur Verfügung, verzweifelt übertrieben hat er gedroht, „die Ausschaffungsbehörden und deren Familien umzubringen und das Ausschaffungsflugzeug abstürzen zu lassen.“ Das ist ja die verbale Entlastung, das Ventil, das im seelsorgerlichen Gespräch gut aufgehoben sein sollte. Wenn nun aber die Seelsorgerin offenbar zur Behörde hingeht und Anzeige erstattet, so zerstört und missbraucht sie das Vertrauen zwischen den ihr anvertrauten Menschen in Not und jeder Seelsorge – und zwar über den konkreten Fall hinaus. Seelsorge auf Staatskosten erübrigt sich, ausser es wäre eine echter Spitzeldienst. Aber das wäre sehr, sehr hässlich. Selbst wenn sie sich von der vorgesetzten Behörde (Wer ist das wohl?) von der Schweigepflicht entbinden lässt, um dem Verzweifelten zusätzlich Strafe zuzufügen, versagt sie als Mensch und handelt gegen die Ethik, weil sie ein uraltes Vertrauen bricht. Und was kann durch längere Strafe gegenüber einem Inhaftierten, der ausgeschafft werden wird, mehr an Sicherheit für die Behörden erreichen? Dass das Gericht sich auf die Aussage der Seelsorgerin stützt, obwohl sie sich nicht einmal formgerecht von der Schweigepflicht entbinden liess, zeigt die Verwilderung und Stillosigkeit unserer Justiz. Vertrauensbruch und Stillosigkeit auch dem Gestrauchelten gegenüber wird sich für die Gesellschaft nie lohnen und alles, was wir gleichgültig tolerieren, weil es „nur“ einen des Landes verwiesenen Kosovaren trifft, wird schneller als wir denken auf uns selbst zurückfallen.

Peter Zihlmann, Privater Ombudsmann