Eben doch auf Sand gebaut

Liechtensteiner Vaterland, 20. August 2005

Buch über Aufstieg und Fall des Dieter Behring – Bankgeschäfte führten ihn nach Liechtenstein

Er ist ein Wunderkind, ein Börsenguru, ein Stern am Finanzhimmel, bis er am 19. Oktober 2004 verhaftet wird. Wie Dieter Behring erst aufsteigt und dann tief fällt, beschreibt Peter Zihlmann in seinem neuesten Buch.

von Janine Köpfli

Es ist der 9. März 2004. Rund 130 Personen aus Wirtschaft und Politik haben sich im Saal der Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein in Vaduz versammelt. Unter ihnen der Basler Finanzier Dieter Behring. Er lacht und meint: «Zum Tanzen wird es ein bisschen eng.» Seit einer Woche ist Dieter Behring Hauptaktionär der Bank Behring und Eberle, kurz BBE, in Vaduz. Die Eröffnung der Bank ist der Grund der Feier, die alles andere als steif werden soll.
Die Stimmung ist gut. Regierungschef Otmar Hasler spricht von der Bank BBE als «eine Bereicherung». Urban Eberle, geschäftsführender Gesellschafter der BBE, freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem Hedgefund-Spezialisten Dieter Behring. Gemeinsam wollen die Partner die neueste Privatbank auf dem Bankenplatz Liechtenstein als Nischenplayer etablieren. An diesem Abend nehmen alle Gäste eine Tasche mit Geschenken mit nach Hause. Beigesteckt ist die Geschäftsphilosophie, zu der Urban Eberle meint: «Die abgebildeten Steine in der Broschüre sind Teil der Geschichte Liechtensteins und gleichzeitig ein Teil unseres Fundaments. Dies soll ein Zeichen sein, dass wir langfristig denken und dass unser Haus nicht auf Sand gebaut ist.» Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass die Bank Behring und Eberle schon wenige Monate später vor dem Aus steht.

Das «todsichere System»

Alles klingt viel versprechend. Dieter Behring, ein Genie, das scheinbar den genetischen Code des Börsenhandels geknackt, das «todsichere System» entwickelt und infolgedessen ein riesiges Finanzimperium aufgebaut hat, findet den Weg nach Liechtenstein und schwärmt vom hiesigen Bankenplatz und seinen Vorteilen. «Liechtenstein ist für mich weltoffener als die Schweiz», sagt Behring in einem Interview mit «Wirtschaft regional» im März 2004. Zwei Monate später wird die Bank Behring und Eberle einstimmig als 16. Mitglied in den Liechtensteinischen Bankenverband aufgenommen. Dass sich in der Schweiz erste Pressestimmen kritisch zum so genannten «Börsenguru» Behring äussern, der von sich behauptet, mit dem Handel von Futures seit 1976 jährlich und stetig 58 Prozent Rendite erzielt zu haben, bleibt in Liechtenstein vorerst unbemerkt.
Im Sommer folgt dann das böse Erwachen. Dieter Behring verkauft seine Firmen, ohne dass seine Geschäftspartner davon wissen. Urban Eberle ist geschockt und enttäuscht zugleich und weiss im ersten Moment nicht, was der Verkauf für die BBE bedeutet. Zwar wird versucht, einen neuen Käufer für die Bank zu finden; die Belastung durch die Wirren um Dieter Behring ist aber zu gross, sodass die BBE im Dezember ihre Tätigkeit einstellt.
Peter Zihlmanns Buch «Der Börsenguru – Aufstieg und Fall des Dieter Behring» macht nun klar: Die kleine Privatbank in Liechtenstein war für Dieter Behring vor allem Mittel zum Zweck. Behring träumte schon länger von einem Leben als Bankier. Er kaufte die Redsafe Bank, das Bank- und Brokerhaus Hornblower Fischer und schliesslich übernahm er von der Paribas-Bankengruppe deren liechtensteinische Bankfiliale, die sich künftig als Behring & Eberle & Co in sein Bankreich integrieren sollte. Der Schritt war zu gross. «Die finale Selbstüberschätzung hatte ihren Höhepunkt erreicht. Das Münchhausensyndrom nahm bei Dieter Behring seinen Verlauf», schreibt Zihlmann. «Er wartete mit der Publikation seines Banken-Shoppings nicht zu, bis die Lizenzen der Aufsichtsbehörden in der Schweiz und in Deutschland vorlagen. Zu sehr war er besessen von seinem Wahn, Bankier zu werden, und zu sehr brauchte er neue Kunden mit frischem Geld.» Der Wirtschaftskrimi ist seit Donnerstag im Handel erhältlich. Der Autor ist auch Anwalt und beschreibt, warum nach dem Börsencrash im Jahr 2000 einige tausend Anleger Dieter Behring folgten wie die Ratten dem Rattenfänger von Hameln. Peter Zihlmann ist dem Phänomen Dieter Behring und seinem Börsenhandelssystem nachgegangen und zeigt auf, warum die Erfolgsstory im Jahr 2004 für den «Börsenguru» hinter Gittern endet. Behring steht im Mittelpunkt des mutmasslichen Betrugsfalles, wird aber nicht als Alleintäter dargestellt. Beschrieben wird vielmehr ein Geflecht von Tätern und Opfern, von betrogenen Tätern und betrügenden Opfern.

Kritische Fragen

«Noch gibt es keine offizielle Wahrheit», heisst es in der Vorbemerkung. Zihlmann verurteilt niemanden, sondern stellt Fragen: Wer ist beteiligt? Wie steht es mit der individuellen Verantwortung der Beteiligten? Wie schuldig kann ein Vermittler sein, der selbst sein Vermögen verloren hat? Woher nahmen Medien das Recht, Kritisches über Behring zu publizieren, als noch keine Betrugsbeweise vor- lagen?
Nicht alle Fragen werden beantwortet. Dem Autor gelingt es jedoch, eine umfassende und verständlich geschriebene Darstellung des komplexen Falls Behring zu liefern. Gesprächspassagen mit Betroffenen und Experten lockern trockene Kapitel über Zahlen und Fakten auf. Verschiedene Anekdoten helfen dem Leser, sich ein eigenes Bild von Dieter Behring, seinem Leben und seinem anlegerischen Wunderkonstrukt zu machen.

Ermittlungen in Liechtenstein weitgehend abgeschlossen

Das Buch endet mit dem Kapitel «Behring als Fall für die Justiz». Am 19. Oktober 2004 kommt es zur Polizeiaktion «Berry» mit Verhaftungen und zahlreichen Hausdurchsuchungen. Die Bundesanwaltschaft führt seither gegen Dieter Behring und mehrere Mitbeschuldigte ein Strafverfahren wegen Verdachts auf gewerbsmässigen Betrug, eventueller Veruntreuung sowie Geldwäscherei. Ein Ende ist nicht abzusehen. Behrings Anwalt Markus Raess sagte in der «Basler Zeitung», dass das Verfahren Jahre dauern werde.
In Liechtenstein sind die Ermittlungen zum Fall Behring weitgehend abgeschlossen. Gemäss einem Artikel der «NZZ am Sonntag» tritt die Liechtensteiner Staatsanwaltschaft ihr Strafverfahren im Anlagebetrugsfall Behring nun an die Bundesanwaltschaft ab. Im Liechtensteiner Verfahren sind fünf Personen angeschuldigt. «Wir glauben, den Sachverhalt in Liechtenstein weitgehend geklärt zu haben», sagte der leitende Staatsanwalt Robert Wallner der «NZZ am Sonntag». Ein Teil der rund 900 Millionen Franken an Kundengeldern, die im Behring- Imperium verschwanden, waren in Liechtenstein akquiriert worden. Zudem schleuste Behrings Firma Moore Park Investments Inc. Kundengelder durch Konten bei liechtensteinischen Banken.
Behring selbst ist am 25. April nach mehr als sechs Monaten gegen Zahlung einer Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden – zwei Tage vor seinem 50. Geburtstag.

Peter Zihlmann: Der Börsenguru.
Aufstieg und Fall des Dieter Behring.
Orell-Füssli-Verlag, 2005. ISBN 3-280-05144-4.