Zitate aus Briefen und E-Mails des „Dossiers der Empörung“

Frau C. B. aus Ostermundigen schreibt am 5. September 2008 an das Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt:

Hat Frau Salihe für ihre Straftat nicht bereits genügend Sühne geleistet, indem sie ihre Haft verbüsst hat?
Das Auftreten von Frau S. im Film bringt zum Ausdruck, dass eine persönliche Auseinandersetzung mit ihrer Tat stattgefunden hat. Weshalb wurde die Frau ausgeschafft und gezwungen in einer ihr inzwischen fremd gewordenen alten Heimat ein menschenunwürdiges Dasein zu fristen?

Dieser Brief trägt die Unterschrift und die Adressen und Berufsangaben von 35 Mitunterzeichner/innen aus dem Kanton Bern.


Frau E. R. aus Stans schreibt am 12. August 2008 ein E-Mail an das gleiche Departement:

Die aktuelle, traurige Situation der ehemaligen Täterin hat mich, wie Sie bemerken können, nicht mehr losgelassen. Ich kann die Vorgehensweise und den negativen, abschlägigen Entscheid der Behörde dieser Frau gegenüber nur schlecht nachvollziehen. Meiner Ansicht nach sollte dieser Frau eine Chance für einen Neubeginn in ihrem Leben geschenkt werden. Es sollte ihr ermöglicht werden, sich wieder in ihre geliebte Familie eingliedern zu können. Stattdessen wird diese Familie auf Grund des Entscheides der Fremdenpolizei wohl endgültig auseinandergerissen. Müssen noch mehr Menschen daran zerbrechen? Warum diese harte Vorgehensweise? Wer trägt hierfür und für etwaige Folgen die Verantwortung? Überdenken Sie doch bitte den negativen Entscheid dieser verzweifelten Frau gegenüber. Lassen Sie Milde und nicht Härte walten! Ich danke Ihnen.


Herr K. B. Ing. agr. ETH aus Pratteln schreibt am 29. August 2008 an den Autor:

Wir (=er und seine Geschwister) sind beeindruckt von dem sehr grossen, sehr guten Wert dieses Films, der sehr sachlichen, sehr eindrücklichen Darstellung in diesem Film. Es ist eine sehr tragische Verzweiflungs-Notwehrtat. Ich darf gar nicht töten, auch nicht verletzten, denn immer sind Wege zu suchen, zu finden, für die Menschen, für alle Menschen, ohne jede Ausgrenzung. Es gibt Taten, es gibt Entscheide, die abzulehnen sind, die zu verurteilen sind. Aber man verurteilt niemals die Personen. Der Entscheid der Fremdenpolizei ist abzulehnen, zu verurteilen, rückgängig zu machen. Aber die Personen der Fremdenpolizei sind nicht zu verurteilen, dürfen nicht verurteilt werden, dürfen nicht ausgegrenzt werden. Es geht immer für die Menschen, für alle Menschen, ohne jede Ausgrenzung, ohne jede Überheblichkeit, sondern in mutiger, nachhaltig guter, kritischer Solidarität sowie Bescheidenheit. Es ist wesentlich sich einzusetzen für die Rückkehr der Frau S.P. in die Schweiz zu ihrer Familie.


Frau R. H., BA in Internationalen Beziehungen, aus Flurlingen,  schreibt am 4. August 2008 an den Autor:

Der Fall hat mich zutiefst berührt und zeigt leider einmal mehr wie unser System in der Schweiz funktioniert. Diese Frau hat für ihre Tat gebüsst und meiner Meinung nach hat die Fremdenpolizei kein Recht, diese Frau auszuweisen. Der Fall beweist leider einmal mehr, dass unsere Ämter kein Herz haben und wohl immer noch die Männer das Sagen haben… Zudem scheint mir die Aussage der Fremdenpolizei, dass die Frau eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstelle, mehr als lächerlich.


Hp. St. aus Basel schreibt dem Regierungsrat am 1. September 2008:

Ich habe den Eindruck, Frau S. werde doppelt bestraft. Wie kommt es, dass das humanistische Basel seine Macht an diesem Opfer demonstriert. Die Frau stellt meines Erachtens keine Gefährdung der Schweiz dar.; dagegen ist sie akut an ihrem derzeitigen Standort gefährdet und dies aufgrund unseres Entscheids….Bitte überdenken Sie den Fall und gestatten Sie Frau S. die Wiedereinreise in die Schweiz.


Dr. iur. B. G. Rechtsanwältin in Zug schreibt an den Regierungsrat am 7. September 2008:

Das Recht auf Ehe und Familie ist nicht nur für Schweizer und Schweizerinnen, sondern ausdrücklich für „alle Menschen“ (Art. 8 und 41 BV). Durch Verweigerung der Wiedereinreise wird nicht nur dieses Grundrecht von Frau P. verletzt, sondern auch die Rechte der übrigen Familienmitglieder. Bitte berücksichtigen Sie diesen Umstand.

Und zum BGE aus dem Jahre 2004 über die Ausweisung: Die Argumentation ist haarsträubend….


Frau Dr. phil. B. Sp. aus Zürich schreibt dem Autor am 5. September 2008:

Der DOK-Filmbeitrag lässt mir keine Ruhe; ich bin beschämt, empört, dass dieser Umgang einer kantonalen Fremdenpolizei in unserem Land überhaupt möglich ist! Die doppelte Bestrafung dieser Frau tritt m.E. alle rechtlichen Grundsätze mit Füssen – ein Hohn für unsere humanitäre Tradition (die allerdings auch in der Vergangenheit schon immer wieder zu wünschen übrig liess).


Frau M.L. M.-C. aus Bern schreibt am 9. September 2008 an den Autor:

Eine albanische Arbeitskollegin hat mir Ihr Buch zum Lesen gegeben. Ich habe den entsprechenden Film leider nicht gesehen. Das Buch hat mich tief berührt und Sie helfen mit diesem Buch auch mit, die vielen Kosovo-Albaner und ihre Lebensweise etwas besser verstehen zu lernen. Das Schicksal dieser Tötung in Basel hat mich selbstverständlich sehr viel zum Überlegen angeregt. Ihr Buch ist toll und ich möchte Ihnen dazu gratulieren. Die Lektüre hat mich sehr aufgewühlt und ich könnte seitenlang darüber schreiben. Da Sie Jurist sind, schreiben sie über das Ganze sehr sachlich, aber gleichzeitig auch sehr menschlich, da sie die Geschichte aus objektiver Sicht betrachten. Ich danke Ihnen dafür!


Frau J. W.-P. aus Zürich schreibt am 26. August 2008 an den Regierungsrat:

Der Dokumentarfilm „Am helllichten Tag“ hat mich sehr beschäftigt und ich bin empört über die Behandlung der Frau Salihe P. Als Bürgerin eines Rechtsstaates verurteile ich ihre Tat ohne Wenn und Aber. Als Mutter kann ich mich aber in die Gemütslage dieser Frau und Mutter hineinfühlen. Als einfache Frau hat sie sich in eine Verzweiflung und Hilflosigkeit hineingesteigert, wo sie keine andere Lösung mehr gefunden hat. Nun hat sie ihre von der Strafbehörde auferlegte Strafe verbüsst und nach allgemeiner Rechtsauffassung ist ihre Tat gesühnt.

Als Schweizerin hätte sie zu ihrer Familie, die stets zu ihr gehalten hat, zurückkehren können. Aber eben, es ist ja nur eine Ausländerin, also mit ganzer Wucht noch einen drauf! Gibt es überhaupt ein Gesetz, das zwingend die Wegweisung vorschreibt? Wo bleibt die Menschlichkeit, das Mitgefühl? Eine ganze unschuldige Familie ist so zerstört worden. Frau Salihe ist keine Verbrecherin im herkömmlichen Sinn, sie war arbeitsam und allseits beliebt. Da laufen bei uns noch ganz andere Typen straflos herum. Auch ihr Schwiegersohn war ein Nichtsnutz, Schläger und Vergewaltiger. Schade, hat man ihn nicht vorher erwischt.

Mit diesem Brief protestiere ich gegen die Ausschaffung der Frau Salihe P und bitte Sie inständig, lassen Sie diese Mutter wieder in die Schweiz zu ihrem Mann und ihren Kindern einreisen!


Ein Basler Arzt schreibt am 10. September 2008 an den Regierungsrat:

Im Urteil hiess es, dass Frau Salihe nicht ausgewiesen werden soll. Trotzdem wurde dies getan – ob rechtlich richtig oder nicht – kann ich mangels fachlicher Kenntnis nicht entscheiden. Offenbar hat aber immer ein Spielraum bestanden.

Sollten Sie, sehr geehrter Herr Regierungsrat, das Zünglein an der Waage spielen können, so appelliere ich an Ihre mir bekannte Menschlichkeit.


Herr A.R. vom Albanischen Institut schreibt am 1. September 2008 an den Autor:

Wir solidarisieren uns mit dem Fall P. und werden auch Ihren Brief an den Regierungsrat an unsere Mitglieder weiterleiten. Wenn wir sonst noch irgendetwas tun können, so sagen Sie es uns, damit wir es tun können.


Frau M. St. aus Basel schreibt am 12. September 2008 an den Regierungsrat:

Die DOKU-Ausstrahlung „Wenn Frauen töten“ vom 4. August löste bei mir enorme Empörung aus. Einen Schandfleck für Basel fand ich es damals ebenso wie heute. Es kann doch nicht sein, dass sich ein Angestellter der Fremdenpolizei über ein richterliches Urteil hinwegsetzt.

Frau Salihe P. hat aus meiner Sicht damals die Tat auch begangen, um das Leben ihrer Tochter zu retten. Ich kann mir vorstellen, dass auch andere Mütter und Väter, die ihre Kinder lieben, in einer solchen Situation gleich handeln könnten. Vielleicht auch ich.

Frau P. hat für ihre Tat gebüsst. Nun wurde sie mit der Ausweisung nochmals gebüsst und die Ausschaffung und ihr jetziges Schicksal ist für sie und auch ihre Familie viel schwerer zu tragen als die Gefängnisstrafe. Während ihrer Haft wusste sie, dass sie nachher wieder zu ihren Lieben zurückkehren kann. Wir wissen, dass dem nicht so war. Welch grausamer Beamtenentscheid!!! Inhuman! Dieser Mann ist auf seinem Posten fehlbesetzt und sollte in Zukunft so versetzt werden, dass er keine Entscheide mit solch weitreichenden Folgen mehr treffen kann.

Bitte nehmen Sie mein Schreiben ernst und handeln Sie bald!


Frau J. Sch. aus Basel schreibt am 10. September 2008 an die Staatsanwaltschaft::

Wir leben ohne TV, also habe ich die KOKU-Sendung nicht gesehen. Ich weiss von dem Fall aus der Presse. Wenn das Basler Strafgericht aber ausdrücklich auf eine Ausweisung verzichtet hat, frage ich mich, ob die Fremdenpolizei sich darüber hinwegsetzen darf!!! Wir sind doch kein Polizeistaat und müssen uns auch dagegen wehren, langsam zu einem zu werden! Auch wenn Sie nur einen Brief erhalten – selber geschrieben oder abgeschrieben, darf keinen Unterschied machen! – soll das Sicherheitsdepartement gezwungen sein „über die Bücher zu gehen“, das heisst eine Untersuchung einzuleiten.


Frau D. K. aus Winterthur schreibt am 16. September 2008 an den Regierungsrat:

Ich sah im Fernsehen den Dok-Film „Am helllichten Tag“ aus der Reihe „Wenn Frauen töten“. Das Schicksal von Salihe machte mich sehr betroffen und wütend. Ich kann die Ausweisung dieser Frau absolut nicht verstehen. Diese Frau hat Ihre Strafe abgesessen und die darauffolgende Ausweisung finde ich völlig unangemessen. Diese Frau als Wiederholungstäterin zu deklarieren ist unglaubwürdig. Ich hoffe sehr, dass Sie für diese Frau etwas bewegen können, Einfluss und Humanität walten lassen.

Lassen Sie diese Frau wieder in die Schweiz zu Ihren Kindern einreisen!


Nadine B. schreibt am 10. September 2008 an den Regierungsrat:

Ich bitte Sie mit diesem Schreiben um die Aufhebung von Salihe P. Ausweisung und erzähle Ihnen deshalb, was nicht in Ihren Akten vermerkt ist.
Vor ca. einem Jahr gelangte Jusuf P., der ein Freund unserer Familie ist, mit dem Anliegen an mich, „seine Frau wieder zurück zu holen“. Zu diesem Zeitpunkt habe ich gerademal zwei Semester Jura studiert und mir nicht allzu grosse Chancen bei diesem Vorhaben ausgerechnet. Herr Zihlmann hat mir dann freundlicherweise sämtliche Korrespondenz zwischen ihm und dem Sicherheitsdepartement Basel zukommen lassen, in der Hoffnung, dass ich vielleicht mehr Erfolg hätte.

Laut diesen Unterlagen hat Herr Zihlmann seit dem 17. Oktober 2006 versucht, einen Besuch durch Salihe P.zu erreichen. Damit hat es also angefangen. Prompt wurde dieses Schreiben von einem Herrn Dellenbach so beantwortet: „Aufgrund der Aktenlage sehen wir keine Veranlassung, einen Antrag um Aufhebung der Fernhaltemassnahmen zu beantragen. Zuständig für die Aufhebung der Einreissperre ist das Bundesamt für Migration in Bern. Diese Massnahme müsste zuerst aufgehoben werden, damit Frau P. ein Einreisevisum für die Schweiz erhalten könnte.“ Herr Zihlmann schrieb nach Bern und erhielt die gleiche Antwort genau andersrum. Im Juni 2007 stellt er deshalb sowohl beim Bundesamt für Migration, als auch in Basel jeweils einen Antrag, der abermals abgewiesen wurde.

In dieser Situation habe ich das Dossier P. bekommen. Nach genauerem Studieren von Gesetzen und internen Weisungen betreffend Einreisesperren, habe ich mich also mit dem Sicherheitsdepartement Basel über Email in Verbindung gesetzt. Schriftlich wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt, „dass Suspendierungs- oder gar Aufhebungsgesuche äusserst selten sind (etwa 1 in zwei Jahren) und jeweils auf den Einzelfall abgestellt wird“. Darauf habe ich im Namen von Jusuf P. und seiner Familie ein zweiseitiges Suspendierungsgesuch verfasst, das – trotz schlechter Voraussage – prompt angenommen wurde. Allerdings habe ich hier im Nachhinein feststellen müssen, dass besagter Herr Dellenbach gar nicht für solche Anträge zuständig ist, sondern Frau C. Dessemontet. Dies hat Ersterer zum ersten Mal erwähnt, als ich mein ursprüngliches Gesuch in Jusufs Namen aufgrund der ursprünglichen Korrespondenz an ihn gerichtet hatte (Formulierung: „[…]mehrmals mitgeteilt, dass ich für die Aufhebung dieser Ausweisung nicht zuständig bin“). Als Dellenbach also die von Herrn Zihlmann gestellten, Anträge abgelent hat, hat er sich diese Zuständigkeit offenbar selbst erteilt. Trotzdem: Salihe durfte ihre Familie in der Schweiz für zwei Wochen besuchen.

Kaum war allerdings Januar, bat mich Jusuf wieder um Hilfe, weil im März in seiner Familie drei Geburtstage anstanden (inkl. Geburtstag von Salihe). Ein Gesuch war schnell geschrieben; und noch schneller kam die Antwort. Aufgrund der Auskunft von Frau Dessemontet haben weder ich, noch Jusuf damit gerechnet, dass Salihe nochmals zu Besuch kommen darf. Frau Dessemontet hat es sich aber nicht verkneifen können Jusuf zu mahnen, dass er sich doch die Besuche aufsparen soll, dies wirklich eine Ausnahme sei und er nicht erwarten müsse, dass das jetzt „immer so gehe“ etc. (sinngemäss).

Während des Dokudrehs vom Schweizer Fernsehen hat Herr Raess sich dahingehend geäussert, dass eigentlich nur noch das Gesuch des Anwalts fehle und Salihe könne wieder einreisen. Hier hat sich also Herr Zihlmann wieder eingeschaltet und das „verlangte“ Gesuch gestellt (19.4). Erst rund zwei Monate später – praktischerweise als die Dokumentation bereits gedreht war- hat Raess entschieden, dass bei Salihe kein Härtefall vorliege.

Offenbar scheint das Sicherheitsdepartement Basel nicht nur ein Problem zu haben Verantwortung zu übernehmen, sondern auch kooperationsunwillig zu sein, sobald sich Herr Zihlmann mit seiner kritischen Stimme für eine Sache einsetzt. Ich möchte hier, da ich nun mein fünftes Studiensemester beginne bemerken, dass das was wir in den Vorlesungen Staatsrecht/Verwaltungsrecht/Völkerrecht beigebracht bekommen mit dem Verhalten vom SiD Basel völlig unvereinbar ist! Nicht nur werden hier in der Theorie Grundrechte verletzt, sondern in der Praxis Familienmitglieder voneinander isoliert. Wenn Herr Raess davon ausgeht, dass bei Salihe P. kein Härtefall vorliegt, dann hat er ganz offensichtlich das Dossier nicht richtig studiert. Die ganze Schweiz (und auch Deutschland) hat über den Fernseher mit verfolgen können, unter welchen Umständen (Haben Sie sich diese Toilette angesehen Herr Raess?) Salihe im Kosovo leben muss – isoliert und in ständiger Angst vor Blutrache.

Uns wird täglich beigebracht: „Wenn du ein Fehler machst, musst du dafür gerade stehen“. Dies hat auch Salihe P.schmerzlich erleben müssen. Für diesen Fehler war Frau P.vier Jahre im Gefängnis. Offenbar hat dies nicht gereicht und Salihe musste die Schweiz verlassen. Aber was ist mit dem Fehler, den das Sicherheitsdepartement Basel gemacht hat, als es trotz richterlichem Verzicht auf eine Landesverweisung und geringer Rückfallgefahr (Gutachten) Salihe des Landes verwiesen hat? Seit diesem Fehler sind ebenfalls vier Jahre vergangen und ich wünschte an dieser Stelle, ich könnte dem SiD auch ein „Verweis“ aussprechen, denn bis heute wird für diesen Fehler keine Verantwortung übernommen.

Als Jus-Student, als Frau, als Tochter und als Schweizerin schäme ich mich zutiefst für das Verhalten des Sicherheitsdepartements Basel und hoffe, dass hier – wenn auch spät – ein Fehler endlich eingesehen wird.

Mit freundlichen Grüssen

Nadine B., stud.iur.

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Die Antwort des Autors an die Studentin der juristischen Fakultät vom 11. September 2008:

Du hast den Brief an den Regierungsrat wahrscheinlich bis recht spät in die Nacht hinein minutiös verfasst und getippt und an mich gemailt, letzteres also vor knapp 3 Stunden. Es ist also noch nicht einmal ein „petit jour“, der für mich nun sehr gut beginnt. Dabei verdient Dein Brief „au grand jour“ gebracht zu werden. Er ist schlicht grossartig in der Verbindung vom innerem Schwung, der darin zum Ausdruck kommt, mit dem unbestechlich wahrgenommenen und registrierten Detail, das sehr treffsicher in unser juristisches System, das zugleich ein juristisches Gewissen ist, eingefügt wird.

Die Geschichte, die Du für den Regierungsrat ausbreitest, ist doch recht instruktiv und hat zudem an einen wunden Punkt gerührt, was die Wirkung meines früheren beruflichen „Wirkens“ anbelangt. Selbstsicher und wahrscheinlich auch treffsicher schreibst Du, dass die Kooperationswilligkeit des Departements in Basel aufhört, „sobald sich Herr Zihlmann mit seiner kritischen Stimme für eine Sache einsetzt“. Dieser Gedanke oder diese Ahnung (oder war es gar eine Erkenntnis) ist bei mir leider schon vor bald zwei Jahrzehnten aufgeblitzt, als ich begonnen hatte, mich der Strafverteidigung zu verschreiben. Dass das praktisch einem Berufsverbot gleichkommt, wenn Deine Feststellung zutrifft, hast Du vielleicht noch nicht ihrer ganzen unerbittlichen Härte erfasst. Lange habe ich diesen Gedanken als paranoid verscheucht bis einer der wenigen engagierten Strafverteidiger in der Schweiz die genau gleiche Erfahrung mir gegenüber äusserte.

Na ja, vielleicht ist dem wirklich nicht so und alles doch nur eine negative Variante einer Selbstüberschätzung. Die Diener des Systems, die Systemvollstrecker haben halt das System, wenn sie schon keinen Charakter haben. Immerhin war es dieser Gedanke oder Befürchtung, dass mein Auftreten mehr schadet als nützt, der dann auch dazu beigetragen hat, dass ich meinen früher geliebten Beruf beizeiten aufgab und mich auf unentgeltlichen und aussergerichtlichen Rat zurückzog, mich aber innerlich auf die mehr beobachtende und schriftstellerische Tätigkeit verlegt habe. Wenn Du also mit Deiner Vermutung Recht haben solltest – und ich weigere mich standhaft gegen diese schlimme Einsicht – dann hätten wir bereits jetzt einen durchwegs faschistoiden Zustand in der Schweiz und es müsste nur noch ein wenig zurückgehen mit dem Bankgeschäft und sonstigen grossen Geschäften in der Schweiz und man könnte sie von der DDR kaum unterscheiden, selbst unsere Verfassung gleicht in ihrer Vorbildlichkeit schon fast jener des im Norden untergegangenen Internatsstaates. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein alter böser Geist wieder unbemerkt sein Haupt erheben würde: die ewige Wiederkunft des Gleichen!

Aber so möchte ich meinen kleinen Brief an Dich nicht abschliessen, sondern Dich für die Zusammenstellung der Fakten in Deinem Brief voll Kraft und Mut gratulieren. Hoffen wir auf Erfolg!


Bei Dr. iur. Peter Zihlmann, Advokat & Notar, sind über 100 Zuschauerreaktionen, Briefe, E-Mails, Telefonate und persönliche Äusserungen eingetroffen.

Einige Zuschauer haben sich spontan bereit erklärt, für die Ausgewiesene Geld zu spenden, um deren Leben unter „menschenunwürdigen Umständen“ im Kosovo etwas zu verbessern.