Peter Zihlmann – Das Ende einer Tragödie

Baslerstab, 18.03.2010

Sieben Schüsse, die alles veränderten. Salihe P. erschiesst am 18. April 2000 den Mann ihrer Tochter. Sie wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt – und danach in den Kosovo ausgeschafft, obwohl das Basler Strafgericht ausdrücklich davon abgesehen hatte. Der Basler Anwalt Peter Zihlmann (71) hat die Familie in den letzten Jahren begleitet und gegen diesen, in seinen Augen falschen, Entscheid gekämpft. Daraus sind ein Buch und ein Dok-Film entstanden. Nun, nachdem Zihlmann die Hoffnung bereits aufgegeben hatte, wendet sich das Blatt plötzlich. Das Ende einer jahrelangen Tragödie.

Fall Salihe P.

«Das hatte ich abgeschrieben»

RIEHEN (BS) – Anwalt Peter Zihlmann (71) hat erreicht, dass die Kosovarin wieder in die Schweiz einreisen konnte. Der Dok-Film bekommt eine Fortsetzung.

von Simone Morger

Nur dank der Solidariät der Öffentlichkeit sei Salihe P. jetzt wieder in der Schweiz, sagt Peter Zihlmann. Im August 2008 zeigte das Schweizer Fernsehen im Rahmen der Sommerserie «Wenn Frauen töten» den Fall von Salihe P. (49). Die Basler Kosovarin gibt am 18. April 2000 sieben Schüsse auf den Mann ihrer damals 16-jährigen Tochter ab und tötet ihn. Sie habe ihn zur Rede stellen wollen und sich plötzlich bedroht gefühlt, heisst es in den Akten. Tochter Teuta äussert nach der Tat, ihr Mann Arif hätte sie nicht nur geschlagen, sondern auch vergewaltigt.
Der Film löst eine Flut von Briefen aus, einen ganzen Ordner voll hat Peter Zihlmann im Büro in seinem Haus in Riehen stehen. «Diese Frau hat für ihre Tat gebüsst und meiner Meinung nach hat die Fremdenpolizei kein Recht, diese Frau auszuweisen», heisst es etwa in einem der Briefe.

«Der Entscheid war falsch»
Dies ist es auch, was Anwalt Zihlmann schon viel früher auf den Plan gerufen hat: «Aus Empörung habe ich mich für die Familie eingesetzt.» Er ist überzeugt: «Der Entscheid, die Frau auszuschaffen, war falsch. Sie hat ihre Strafe akzeptiert und galt nie als gemeingefährlich.» Deshalb habe sich auch der Strafrichter gegen eine Ausschaffung entschieden. Peter Zihlmann macht sich für eine Wiedereinreise von Salihe P. stark. Ehrenamtlich: «Ich habe kein Geld dafür genommen.»
2007 erscheint sein Buch «Basel – Pristina. Oder die Blutrache in der Schweiz». 2008 dann reist Zihlmann mit dem Dokumentarfilmer Alain Godet in den Kosovo und dreht mit ihm den Film «Am helllichten Tag» fürs Schweizer Fernsehen. Er lässt Salihe P. ein Einreisegesuch unterschreiben, doch das Basler Migrationsamt wehrt ab.
Ein letztes Mal noch versucht er es nach der Ausstrahlung des Doks. Die vielen Briefe, die zum Teil auch direkt an die Basler Regierung gingen, bestärken ihn. Er schreibt einen offenen Brief an Justizminister Hanspeter Gass.«Danach passierte etwas, das mir noch nie passiert ist im Leben.» Der Fall wird Chefsache: Hanspeter Gass lädt Zihlmann zum Gespräch ein.

«Ein kunstvoller Weg»
Gass rät ihm, Salihes Ehemann Isuf solle ein Familiennachzugsgesuch einreichen. «Ein etwas kunstvoller Weg, doch der Zweck heiligt die Mittel», sagt Zihlmann. Nach reiflicher Prüfung wird dem Gesuch am 28. Januar 2010 gutgeheissen. «Unter Würdigung der Umstände haben wir diesen Familiennachzug aus humanitären Gründen gegenüber dem Bundesamt für Migration befürwortet», sagt Hanspeter Gass. «Ich hoffe, dass Frau P. die ihr nochmals gewährte Chance nutzt.» Für Zihlmann eine Überraschung. «Ich hatte das bereits abgeschrieben.»
Als erstes ruft er Alain Godet an. Dieser reiste mit seiner Kamera sofort nach Basel. Godet und Zihlmann waren dabei, als Isuf P. den positiven Bescheid des Migrationsamtes bekommt und als die Kinder ihre Mutter am Basler Bahnhof in Empfang nehmen. Der Dok-Film bekommt eine Fortsetzung – «das versöhnliche Ende», wie Zihlmann sagt. Denn einfach nur ein Glück sei das nicht für die gebeutelte Familie. «Aber eine Chance.»

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Salihe P., Peter Zihlmann und Alain Godet

Todesschüsse in Basel. Eine Ausweisung und ihre Folgen. Montag, 29.03.2010, 22.50 Uhr, SF 1.

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Zur Person
Peter Zihlmann, geboren und aufgewachsen in Basel, studierte Rechtswissenschaften. Er war in Basel, Paris und New York als Rechtskonsulent und anschliessend während 21 Jahren als Rechtsanwalt, Strafverteidiger sowie als Gerichtspräsident in Basel tätig. Von 1994 bis 2004 hat er als privater Ombudsmann Menschen in Not beraten. Bekannt machten ihn zahlreiche, oft justizkritische Publikationen. 2005 ist sein Bestseller «Der Börsenguru» erschienen, welcher Aufstieg und Fall des Schweizer Financiers Dieter Behring beleuchtet.