Basler Zeitung, 17. August 2005
Dieter Behring wollte zunächst nicht mit dem Autor Peter Zihlmann sprechen. Dann doch. Dann wieder nicht. Und am Schluss versuchten seine Anwälte, gegen das Buch zu intervenieren. Anders Behrings Kumpane. Sie haben mehr oder weniger offen mit Zihlmann gesprochen. Was sie erzählten, stützt verständlicherweise ihre Verteidigung: Sie haben nichts gewusst, nichts getan. Sie erzählten jedoch auch hübsche Episoden, wie etwa die Aktion «Cash back» (siehe hier).
Zihlmann bemühte sich, nicht zum einseitigen Sprachrohr zu werden. Erst der Prozess wird allerdings weisen, wie gut ihm dies gelungen ist.
Eine grundsätzliche Neubewertung des Falles nimmt Zihlmann in seinem rasch geschriebenen Buch nicht vor. Behring steht zwar im Mittelpunkt des mutmasslichen Betrugsfalles, doch keinesfalls als Alleintäter. Die Truppe handelte aber nicht bandenmässig. Vielmehr bestand ein Geflecht von Tätern und Opfern, von betrogenen Tätern und betrügenden Opfern.
Zihlmann hält sich mit Urteilen zurück. Er stellt Fragen: Wie verhält es sich mit der individuellen Verantwortung der Beteiligten? Wie schuldig kann ein Vermittler sein, der selbst sein Vermögen verloren hat? Wie eigenverantwortlich kann ein finanzunkundiger Anleger handeln? Woher nahmen Medien das Recht, kritisch über Behring zu publizieren, als noch keine Betrugsbeweise vorlagen?
Die Fragen, die Zihlmann stellt, wären teilweise zu beantworten. Doch auch hier zeigt sich, dass das Buch schnell und auf Kosten der analytischen Schärfe geschrieben und auf den Markt gebracht wurde. Der Fall Behring ist komplex, seine Darstellung ebenso. Zihlmanns Verdienst ist es, die erste umfassende und verständlich geschriebene Darstellung zu liefern. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem vieles weiterhin im Nebel liegt und die Ermittlungen noch nicht weit vorangeschritten sind.
Der Autor ist aber auch Programm: Schliesslich hat Peter Zihlmann sich als Justizkritiker einen Namen gemacht. Seine Erfahrungen als Verteidiger des Betrügers André Plumey schrieb er 1995 im Buch «Die Ware Wahrheit» nieder. Es ist eine Anklage gegen ein Justizsystem geworden, das sich seine Wahrheit zusammenbaut, um zu einem Urteil zu kommen.
Es war zu erwarten, dass Zihlmann die justizkritische Haltung auch im Fall Behring beibehält. Er fragt: «Wäre es nicht ehrlicher, auf eine strafrechtliche Aufarbeitung, die immer eine moralische Abrechnung ist, zu verzichten?» Zihlmann ist sich im Urteil selbst nicht sicher. Man müsse eingreifen, wenn Betrug ruchbar würde. Weshalb aber konnte das System so lange ungehindert funktionieren?
Vielleicht braucht es zu einem späteren Zeitpunkt ein zweites Buch, das auf die Fragen die Antworten findet.
Christian Mensch
Peter Zihlmann. Der Börsenguru. Aufstieg und Fall des Dieter Behring. Orell Füssli Verlag 2005, 232 Seiten, broschiert. Fr. 39.00.