Ein Unbequemer klagt an

Basler Woche Nr. 21, 25. Mai 2000.

Seine Kritik am Justizwesen hat System. In der Basler Juristen-Szene gilt er deshalb als Enfant terrible. Doch Peter Zihlmann versteht sein Metier: Jahrelang hielt der unbequeme Anwalt die Gerichte in Atem. Mehr als einmal durfte er dabei triumphieren. Seinem Zögling Stefan Suter verhalf er zum Mandat seines Lebens, als ihn Milliarden-Betrüger Werner K. Rey um Unterstützung bat.

Dennoch ist Peter Zihlmann alles andere als ein gewiefter Rechtsverdreher, wie sein neuestes Buch beweist. Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen steht der Mensch und nicht die Paragraphen. Minutiös und mit viel Insiderwissen dokumentiert er erbarmungslose Hetzjagden, zerpflückt unverhältnismässige Urteile und belegt, was .viele wissen und noch mehr ahnen: dass Recht und Gerechtigkeit zweierlei Dinge sind.

«Wenn wir von staatlichem Recht sprechen, sollten wir zumindest auch an das staatliche Unrecht denken, es in Betracht ziehen», plädiert der Anwalt. «Wir sollten nicht vergessen, dass weltweit die vom Staat selbst veranstalteten oder geduldeten Ungerechtigkeiten viel schwerwiegender sind als das von den Kriminellen geschaffene Unrecht.»

Zihlmannns Ausführungen sind provokativ, aber stets engagiert. In scharfem Ton geisselt er unverhältnismässige Kurzstrafen, die Menschen sozial isolieren oder aus der Bahn werfen. Darunter auch ein 47-jähriger Basler Autolackierer und Familienvater, der sich in seiner Zelle erhängte, weil er wegen nichtbezahlter Parkbussen eine Haftstrafe von 21 Tagen verbüssen musste.

«Wir leben in einem Land der Vielstraferei», konstatiert Zihlmann und weist unter Bezug auf das Bundesamt für Statistik darauf hin, dass in der Schweiz jede dritte männliche Person im Verlauf ihres Lebens strafrechtlich verurteilt wird. «Jeder zehnte Einwohner kommt effektiv in den Strafvollzug.»

Wer bislang an die Unfehlbarkeit der Schweizer Justiz glaubte, kann sich nach der Lektüre dieses Buches nur wünschen, nie mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.