Die Geschichte eines tragischen Helden

Basler Zeitung, 18. August 2007

Guido A. Zäch – wer kennt ihn nicht? In Basel-Stadt war er Oberarzt und CVP-Grossrat von 1983 bis 1988. In Bern sass er für die Aargauer CVP 1999 bis 2003 im Nationalrat. In der Schweiz hat er sich als Pionier der Paraplegie einen Namen gemacht.
Zuletzt hat er im März für Schlagzeilen gesorgt: Da bestätigte das Bundesgericht ein Urteil des Basler Appellationsgerichts von 2005. Es lautet: bedingte Gefängnisstrafe von 16 Monaten. Grund: Mehrfache Veruntreuung, unter anderem von Spendengeldern. Deliktsumme: 1,3 Millionen Franken.
Guido A. Zäch – wer ist er wirklich? Zwei Biografien sind bisher erschienen, die seine Person beschönigen statt kritisch beleuchten. «Seine natürliche Schönheit, geformt durch karge bäuerliche Herkunft, geziert mit dem Charme des Gentleman, hilft dem Charismatiker auf dem steinigen, doch steilen Weg nach oben» – solche Peinlichkeiten lesen wir in einer der Heiligendarstellungen.

«IMPERIUM ZÄCH». Peter Zihlmann jedoch geht nicht in die Knie vor dem Macher. Obwohl ihn die Gespräche, die er im Vorfeld mit Zäch und dessen einstigem Mitstreiter und späteren Ankläger Marc F. Suter führte, «nachhaltig beeindruckt» hätten, wie er im Vorwort seines neuen Buches eingesteht.
Der Basler Anwalt und Justizkritiker, Autor von Publikationen zum Thema Wirtschaftskriminalität («Der Fall des André Plumey», «Aufstieg und Fall des Dieter Behring»), hat sich die Sache nicht leicht gemacht. Er hat sich vielmehr intensiv mit dem «Imperium Zäch» und seinen Kämpfen im «Wunderland der Justiz» beschäftigt. Präzis beobachtend leuchtet Zihlmann den Hintergrund einer Erfolgsgeschichte aus, die zur Tragödie wurde.

HELFERWILLEN. Der Leser lernt Zäch als mitfühlende wie egoistische, joviale wie dominante Figur kennen. Er kann nachvollziehen, wie es dazu kommen konnte, dass Zäch – Herrscher über eine Spendenmaschine, die im Laufe der Jahre mehr als eine Milliarde Franken generiert hat – vom Geachteten zum Geächteten wurde.
Zihlmann führt dem juristischen Lese- und Laienpublikumgekonnt vor Augen, wie ein weltliches Gericht umgegangen ist mit einem Menschen, der in den Augen vieler Patienten und Anhänger zum Gott geworden ist. Er unterstellt den Basler Richterinnen und Richtern dabei, sie hätten Zäch vor dem Straf- und Appellationsgericht einen «politischen Prozess» gemacht («Die Basler haben ihn nie gemocht, er war kein <Fasnächtler> und kein Zunftbruder»). «Die Basler Justiz», kritisiert Zihlmann, «hat sich nicht anders verhalten als in anderen grossen Straffällen: Hart, unnachgiebig und gefühllos ist sie ihren juristisch-technokratischen Weg gegangen.»
Hier wird ein roter Faden sichtbar. In der baz hat Zihlmann 2004 gesagt, die «emotionslose Sachlichkeit der Justiz» habe ihn einst fasziniert; mittlerweile sehe er aber «die Beschränktheit dieses Denkens und die oft brutale Simplifizierung des Lebens, die damit einhergeht». Und in seinem Buch über Dieter Behring hat Zihlmann 2005 die Frage aufgeworfen: «Wäre es nicht ehrlicher, auf eine strafrechtliche Aufarbeitung, die immer eine moralische Abrechnung ist, zu verzichten?»
Auch im Fall Zäch ist für Zihlmann klar: «Kleinlich und selbstgerecht» sei ein «von überschäumendem Helferwillen getriebener Mensch mit Paragrafen umstellt und erbarmungslos in die Enge getrieben» worden.
Da zieht der Autor ein fragwürdiges Fazit. Und provoziert die Gegenfrage: Darf man die Arbeit eines Gerichts, das kühl nach Gesetz zu urteilen verpflichtet ist, mir moralischen Kriterien messen?

WIDERSPRÜCHE. Guido A. Zäch – ist er Wohltäter oder Täter? Zihlmanns Antwort: Er ist beides. Der Autor unterschlägt nicht den widersprüchlichen Charakter dieser «Feldherrennatur». Er legt offen, wie brutal Zäch mit Dritten umgehen konnte und dass ihm das eigene Ego ebenso wichtig war wie das Schicksal der Paraplegiker.
Doch wer das spannende Buch aus der Hand legt, wird sich am Ende gleichwohl sagen: Es ist in Ordnung, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich behandelt werden – auch solche, die in ihrem Leben sehr viel Gutes getan haben.

Martin Furrer