«Die Begeisterung ist ansteckend»

Gratisvorstellung

Der frühere Ombudsmann Peter Zihlmann ist vom Förnbacher-Theater derart fasziniert, dass er eine Aufführung des Stücks «Amadeus» fürs Publikum sponsert. Wie lange es die Bühne am Badischen Bahnhof noch gibt, ist offen.

Basler Zeitung, 04.05.2019
von Daniel Wahl

Über dem Theatermacher Helmut Förnbacher hängt nicht nur ein einzelnes Damoklesschwert. Es sind mehrere: Wie lange lässt der Badische Bahnhof ihn mit seiner Company in dieser zum Theaterraum umfunktionierten Bahnhofhalle noch gewähren? Auf Zusehen hin? Nichts ist sicher. Und wie lange haben der für seine 83 Jahre höchst agile Förnbacher und seine Partnerin Kristina Nel noch die Energie, fast täglich eine Aufführung zu stemmen? Das aus Stammkräften und wechselnden Gästen bestehende Ensemble arbeitet ohne Subventionen, dafür mit viel Herzblut. Förnbachers Pumpe hält mit.

Auf jeden Fall ist ihm und seiner Company die Bewunderung von Peter Zihlmann gewiss. Der Basler Publizist und frühere private Ombudsmann für Justizfälle verpasst keine Inszenierung, «weil hier mit Wucht gespielt wird, weil schon die kleine Geste einen Meter vor den ersten Zuschauerrängen zum Ausdruck kommt», wie Zihlmann beschreibt. Kein Brimborium, weder Ablenkung noch Opulenz, sondern die Konzentration auf das Wesentliche, welche die zwischenmenschlichen Beziehungen herausschält. Und dann die reiche Erfahrung eines alten Filmemachers wie Helmut Förnbacher. «Mehr braucht es nicht, um die Magie des Theaters zu erfahren; hier habe ich sie wieder entdeckt», sagt Zihlmann.

Der Sponsor lädt jeden ein

Darum hat er den Entschluss gefasst, jene Menschen an dieser inszenierten Welt teilhaben zu lassen, die bislang noch nicht vertraut mit dem Theater sind und vielleicht sogar Vorurteile gegenüber den angeblich verstaubten Bühnenbrettern hegen: 100 Gratisbillette an eine Vorstellung des Stücks «Amadeus» sponsert Zihlmann. Für die BaZ-Leserinnen und Leser. Sagts im Foyer des Hauses, das wie eine Milieubar wirkt, und bekräftigt es mit einem Schluck Schweppes.

Drinnen ist der Altmeister am frühen Abend bereits am Werk und schleift an den Texten und den Texturen einer Daniela Bollinger oder eines Nic Aklin, die derzeit «Die Tanzstunde» üben und spielen. «Weisst du, wie Film», gebraucht Regisseur Förnbacher noch oft die Metapher, die auf seine wahre Herkunft schliessen lässt: das Lichtspieltheater. In gefühlt 600 Filmen ist Förnbacher zu sehen, die bedeutendsten darunter sind der Streifen «Schonzeit für Füchse» und die erfolgreiche deutsche Serie «Forellenhof». Dann unzählige «Tatort»-Folgen, Krimis aus der ARD-Reihe «Polizeiruf 110» und ZDF-Herzschmerz- Movies.

Spontanes festhalten

Auf diesen Erfahrungsfundus (und wohl auch auf die finanziellen Reserven dieser fruchtbaren Zeit) greift Förnbacher zurück, wenn er bei seiner Company Regie führt und jene Momente sucht, wie sie bei Proben spontan entstehen.

Dann unterbricht er. «Das ist gut so, verdeutliche es mit deinem Blick», lässt er repetieren. «In Deutschland bin ich nur als Filmemacher bekannt, in der Schweiz als Theatermacher», sinniert Förnbacher und lächelt: Es sind zwei Welten, die am Badischen Bahnhof zusammenkommen.

Nach seiner Filmkarriere hat er 1980 die Helmut Förnbacher Theater Company gegründet und seither eine der ältesten freien, nicht-subventionierten Schweizer Theatergruppen am Leben erhalten. Es gab Aufführungen im Botanischen Garten. Die Location wurde letztlich unbespielbar, nachdem Lärmemissionen von den Sportplätzen unannehmbar wurden. Als Sternstunde würden Kristina Nel und er die Aufführungen des politischen Stücks «August, August, August» im Zelt auf dem Sarasinpark mit Buddy Elias bezeichnen. Begleitet von zwölf gefürchigen Löwen, dressiert vom Raubtierdompteur Jürg Jenni. «Diese damalige Freiheit ist heute wohl nicht mehr zu haben», sagt Nel.

Mit «Amadeus», der Adaption des Drehbuchs, das Milos Forman meisterhaft auf Zelluloid bannte (acht Oscars und vier Golden Globe Awards) hat Helmut Förnbacher ein Stück inszeniert, «wie wir Theater verstehen und es umsetzen können». Wiederum ist das zwischenmenschliche Drama da, das Zihlmann so gefällt, das er den Baslern zugänglich machen will – die Rivalität zwischen Antonio Salieri, dem höfischen Komponisten und Kapellmeister, und der Lichtgestalt Wolfgang Amadeus Mozart.

Existenzielle Fragen

Neid, Hass und Eifersucht werden bei Förnbacher plastisch in Szene gesetzt. Solche Gefühlsgewitter berühren Existenzfragen. Zihlmannn formuliert es so: «Das Schwierigste für einen Menschen ist, sich selbst anzunehmen, so wie man ist.»

Im Stück «Amadeus» ist alles da, auch der Aktualitätsbezug zum zeitgenössischen Hollywood- Regisseur Harvey Weinstein, der nach Vorwürfen namhafter Schauspielerinnen wie Gwyneth Paltrow, Angelina Jolie und Salma Hayek wegen sexueller Übergriffe eine Auszeit nahm – «um seine Dämonen in Griff zu kriegen ». In «Amadeus» wird Salieri durch seine Neidbesessenheit zum Mephisto: Mozart sein oder nichts.

«Hinter der Künstlichkeit der Bühnen können Wahrheiten aufblitzen, die im Alltag verborgen bleiben. Diese Begeisterung ist ansteckend. Der Lockruf soll Anlass und Anstoss sein zum Theaterbesuch», erklärt Zihlmann und zückt, um diesen Schatz zugänglich zu machen, gerne einmal das Portemonnaie.

S het, solang s het

Gratisbillette für die «Amadeus»- Vorstellungen vom Donnerstag, 9. Mai, und Samstag, 18. Mai, erhält, wer noch nicht den Weg ins Förnbacher-Theater gefunden hat, weil er etwa knapp bei Kasse ist oder das Theater vielleicht als künstlich und verstaubt in Erinnerung hat.
Ab Montagmorgen, 6. Mai, sind 100 Tickets am Empfang der «Basler Zeitung» am Aeschenplatz 7 hinterlegt. Pro Person werden maximal zwei Tickets abgegeben. Es hat, solang es hat. Theatersponsor Peter Zihlmann empfiehlt das Stück «Amadeus», weil es eine Existenzfrage aufgreift: Kann ich mich selbst in meiner Begrenztheit annehmen? Diese Frage trifft den Kern der Rivalität zwischen Mozart und seinem Gegenspieler Salieri. (wah)
BaZ-Empfang: Geöffnet Mo–Fr, 8–12 Uhr und 13–17 Uhr.

Theaterfan Peter Zihlmann (links) sponsert Helmut Förnbacher eine «Amadeus»-Vorstellung.
Foto: Kostas Maros