Richteramt

richteramtAusserordentlicher Zivilgerichtspräsident 1979 – 1999

Aus Basler Zeitung 02.07.1999

Auf Ende Juni ist der Anwalt Peter Zihlmann als Mietrichter zurückgetreten. Während seiner richterlichen Tätigkeit, seit 1971 als Zivil-Ersatzrichter, seit 1979 als Mietrichter, wurde er zum Spezialisten des Mietrechts. Davon zeugt sein vielbeachteter Leitfaden zum Mietrecht.

BaZ: Wenn die Hypothekarzinsen steigen, gehen jeweils auch die Mietzinse in die Höhe. Sinken die Hypothekarzinsen, so bleiben viele Mietzinse oben. Was lässt sich dagegen tun?

Peter Zihlmann: Im Kanton Basel-Stadt bemühte sich das Mietgericht in Übereinstimmung mit dem Appellationsgericht, nicht nur bei Mietzinserhöhungen, sondern ebenso auch bei Senkungen der so genannten «relativen Methode» zum Durchbruch zu verhelfen. Dies bedeutet, dass der Vermieter einen für ihn verbindlichen Basismietzins festlegt. Die spätere Mietzinsgestaltung beschränkt sich dann auf den Ausgleich der Veränderungsfaktoren, sowohl nach oben als auch nach unten. Doch liess das Bundesgericht den Einwand des Vermieters zu, dass im Falle der vom Mieter oder der Mieterin geforderten Mietzinssenkung kein angemessener Mietertrag mehr realisiert werden könne. Das Bundesgericht gestattete dem Vermieter sogar wahlweise mehrere Argumentationen.

Mit welchen Argumenten muss denn die Mietpartei rechnen?

Der Vermieter kann einerseits geltend machen, dass er eine ungenügende Nettorendite erzielt. Nach der herrschenden Gerichtspraxis gilt dies, wenn der Nettoertrag aus dem Mietzins, gemessen am investierten Eigenkapital, nicht um ein halbes Prozent oberhalb des Zinssatzes der Kantonalbank für erste Hypotheken liegt. Er kann wahlweise auch vorbringen, dass die Bruttorendite ungenügend ist. Schliesslich kann er gestützt auf Vergleichswerte darlegen, dass er keinen orts- und quartierüblichen Mietzins bekommt. Vom Wortlaut und Sinn des Gesetzes her wäre nur der Einwand der ungenügenden Nettorendite begründbar. Mit allen diesen möglichen Einwänden wird es für die Mieter und Mieterinnen schwer, die Erfolgschancen ihrer Senkungsbegehren abzuschätzen.

Zur Orientierung stützt sich die Schlichtungsstelle auf Erfahrungswerte ab. Diese werden vom Statistischen Amt gestützt auf Erhebungen als Mietzinsraster publiziert. Was ist davon zu halten?

Der jüngste Raster stammt vom Februar 1998. Die Richtwerte pro Quadratmeter Wohnfläche sind gegliedert nach Alter und Sanierungsdaten der Liegenschaften, nach der Zahl der Zimmer der Wohnungen und nach Wohnquartieren. Damit bildet der Raster ein taugliches Arbeitsinstrument. Doch darf der Raster nicht mechanisch angewendet werden. Gestützt auf Durchschnittswerte bietet er Leitlinien. Augenscheine, Fotos, Darstellungen der Wohnlage können in Einzelfällen erhebliche Abweichungen nötig machen. Zurückhaltend war ich stets mit der Anordnung von Expertisen. Denn sie sind zeitraubend und kostspielig. Die Folgerungen beruhen oft auf unsicheren Annahmen des Experten. Dies widerspricht den Geboten rascher und einfacher Verfahren.

Wie können sich denn die Mietparteien orientieren?

Den Mietparteien ist anzuraten, den Raster beizuziehen. Doch lässt auch er im Hinblick auf die Kostenberechnungen des Vermieters viele Fragen offen. Auch so bleibt darum für die Mietpartei nicht voraussehbar, ob sein Begehren Erfolg haben wird. Diese Situation ist unbefriedigend. Ihr muss beim Kündigungsschutz Rechnung getragen werden. Dieser muss auch für unterliegende Mietparteien gelten, wenn sie ihre Begehren in guten Treuen gestellt haben. Es ist zu hoffen, dass die bevorstehende Revision des Mietrechts mehr Klarheit bei der Mietzinsgestaltung, insbesondere durch die Entkoppelung von der Hypothekarzinsentwicklung, bringt.

Im Entwurf zum neuen Mietrecht ist nicht nur – wie bisher – die Unentgeltlichkeit des Schlichtungsverfahrens, sondern auch des Verfahrens vor Mietgericht für Streitwerte bis 30 000 Franken vorgesehen. Würde diese Neuerung nicht die Hemmungen zu berechtigten Klagen vermindern, die besonders im Hinblick auf die ungewissen Erfolgschancen von Mietzinsanfechtungen bestehen?

Die Kostenlosigkeit von miet- und arbeitsrechtlichen Verfahren entspricht der Wesensart des sozialen Rechtsstaates. Ich bejahe darum die Frage. Ebenso wichtig ist der Kündigungsschutz. Zu den Bedürfnissen des sozialen Mietrechts möchte ich einschränkend bemerken, dass die Schutzbestimmungen ihren Sinn verlieren, wenn sie zu formellen Fussangeln für grosszügige Vermieter werden. Wenn Vermieter ihren Mietern entgegenkommen, sollten sie nicht gerade deswegen Nachteile erleiden. Denn sonst werden Anreize geschaffen, stets sämtliche Ansprüche auszuschöpfen. Formalistisches Recht kann dazu verführen, die Paragraphen als Schlagstöcke zu verwenden. Wichtig ist es für den Rechtsfrieden, dass Klarheit über die geltenden Regeln besteht. Darum messe ich der Publikation von Urteilen in den Medien Bedeutung zu.

Interview Jürg Meyer